2006/04/30

Agra (30.4.2006)


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Endlich war es dann soweit! Seit Kindertagen hat Daniel davon geträumt! Es schien, als wäre es das heilige Ziel unserer Reise! Das Taj Mahal!

Schon bei der Einfahrt in den Bahnhof Agra –Fort wird man mit Architektureindrücken nur so überhäuft! Eine vergleichbare Version des Roten Forts in Delhi ragte neben den Schienen empor.

Wir verstauten unser Gepäck im Cloak-Room des Bahnhofs und nahmen eine Rikscha zum touristischsten Ort ever!
Nachdem wir zahlreiche Möchte-gerne-Führer wie Fliegen und zum Teil unter Körpereinsatz abgeschüttelt hatten, reihten wir uns ein in die langen Schlangen (Männer und Frauen natürlich ganz brav voneinander getrennt), die zunächst durch einen Scurity-Check führten. Da Daniel dem Kontrolleur ein Zweierticket (für sich und seine „Frau“ natürlich) unter die Nase hielt, hatte ich Glück und wurde aus dem kreischenden und mich mit sonderlicher Neugier anstarrenden Haufen Weiber gerissen, um mit ihm zusammen eintreten zu können. Überraschenderweise waren die wenigsten Menschen Ausländer, das Bild war hauptsächlich geprägt von indischen Großfamilien.

Wir hatten uns offensichtlich den besten Tag für diese Besichtigung ausgesucht: es war nach Angaben der Zeitungen 46 Grad warm und weit und breit war kein Windlüftchen zu registrieren. Unsre T-Shirts waren innerhalb weniger Minuten von Schweiß durchnässt, da es auf dem Gelände des Tajs so gut wie keinen Schatten gibt. Dennoch war der Anblick toll! Und Daniel freute sich sehr, endlich einen seiner Höhepunkte der Reise verzeichnen zu können. Mit den Massen drängten wir uns dann in den Innenraum, der jedoch, obwohl er aus reinem Marmor bestand, keinerlei Kühlung vermittelte. Der Marmor war zu heiß, um sich darauf zu setzen. Toll Waren sie Marmor- und Edelstein-Intarsien und die schlanken Schriftzeichen der Koransuren, die sowohl das Äußere als auch das Innere des Gebäudes zierten. In der Mitte des Mausoleums befand sich der hoch verzierte Sarg der geliebten Frau des Maharajas, der dieses Weltwunder für sie erbauen ließ.

Auf dem Weg zum Ausgang erteilte mir dann ein Inder eine kleine Sittenlektion, da ich auf einer Parkbank meinen Schal für ein paar Minuten gelüftet hatte. Nachdem er und sein Freund mir reichlich in den (eigentlich nicht vorhandenen) Ausschnitt gestarrt hatten, wollten wir die beiden mit einem ironischen „Hallo!“ darauf aufmerksam machen, dass man das weder in Indien noch in Deutschland so mache. Daraufhin erklärte mir der Mann, er könne nichts dafür, da er es nicht gewohnt sei, dass eine Frau „nur“ mit T-Shirt und nicht mit Schal bekleidet sei. Ausserdem fände er Frauen bedeckt doch viel schöner! Warum schaut er dann nicht seine eigene Frau an!!!???

Abends nahmen wir den Zug Nach Delhi, checkten dort in unser Wongdhen-House im tibetischen Viertel (kein Geglotze!) ein und schliefen dem nächsten Tag entgegen, der uns Bangkok schon ein bisschen näher brachte. Am Abend nahmen wir ein Taxi zum Flughafen und stiegen zu meiner Belustigung mit einem ganzen Haufen freundlich lächelnder, in orange gekleideter Mönche in unser Flugzeug. Auf ging’s ins Land des Lächelns!

Hannah

2006/04/29

Jaipur (Pink City) (29.4.2006)


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In Jaipur angekommen, war es gar nicht so leicht, ein einigermaßen annehmbares Zimmer für einen nicht völlig überzogenen Preis zu bekommen. Wir entschieden uns letztendlich, auf viel Anspruch zu verzichten und die Zeit des Suchens lieber in die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu investieren.
Die Stadt entpuppte sich als eine völlige Enttäuschung, eine typische indische Großstadt eben: Dreck, Müll, Lärm, Überbevölkerung, Armut, Touri-Abzocke…
Natürlich besuchten wir den Palast der Winde und auch den Stadtpalast. Über beide Bauwerke war ich jedoch ein wenig enttäuscht. Zum einen ließ die Renovierung der weltbekannten Bauwerke in meinen Augen stark zu wünschen übrig, zum anderen waren sie – freilich nach europäischer Sicht – nicht gebührend genug präsentiert und gingen im Trubel des städtischen Chaos unter. Die Renovierungsarbeiten innerhalb des Stadtpalastes waren in ihrer Farbwahl so kitschig und unpassend, dass es in den Augen teilweise weh tat. Toll dagegen waren jedoch die Pfauenbögen des Innenhofes, die wir per Kamera ausführlich dokumentiert haben.
Auch in Jaipur war es unerträglich heiß, so dass wir es nach ein paar Stunden vorzogen, den Rest der heißen Nachmittagsstunden zusammen mit der freundlichen Klimaanlage bei McDonalds zu verbringen. Es lebe das amerikanische Fastfood – manchmal muss es dann doch mal eben so sein, auch wenn man es natürlich nicht so gerne zugibt…ähäm.
Hier möchte ich jedoch trotzdem kurz die ungewöhnliche Auswahl beschreiben. Neben einem Maharaja-Burger, gibt es den ordinären McChicken (yummie!), den CrispyChicken, den ChickenCurry, den CurryChicken, den ChickenChicken oder auch wahlweise den IndianChicken… Eines war klar: in Thailand würde es ein leckeres, saftiges Rindersteak geben!!!
Danach habe ich Daniel tatsächlich noch überreden können, mit mir durch die superengen Stoffbasare zu rennen – ich hatte noch immer die fixe Idee, diesen einen bestimmten Sari zu finden. Und wenn ich etwas will, dann… Vermutlich haben sich die Verkäufer bei den Göttern bedankt, als ich endlich ihre Läden verlassen habe. Mehrmals habe ich die Läden zum „Preisvergleich“ mit der Konkurrenz verlassen, bin wieder zurück gekommen, habe zusammen mit Daniel ein unentschlossenes Gesicht aufgelegt, wieder die Farben verglichen, den Kopf geschüttelt, Tee getrunken – das ganze Drama, das zu einem ordentlichen indischen Einkauf dazu gehört, eben! Nachdem wir uns dann endlich zu einem Entschluss durchringen konnten, erzählte Daniel dem armen Verkäufer, er sei armer Student, habe kein Geld, eine gierige Frau (in dem Fall dann wohl ich), vier unterernährte Kinder großzuziehen usw. usw. …
Mit dem letzen Preis sind wir mal wieder gut davon gekommen – hier an dieser Stelle ein Jubel auf die Nebensaison!

Vielleicht hätten wir doch ein bisschen länger nach einem vernünftigen Zimmer suchen sollen, denn der sogenannte „Hotelmanager“ unseres Guesthouses entpuppte sich als schräger Weirdo, der uns ziemlich auf die Nerven ging, da er unbedingt unsere europäischen Zeitschriften, die wir ihm zum Lesen für den Tag geliehen hatten, behalten wollte. Als Daniel abends fragte, ob er denn seine Zeitungen bitte wieder haben könne, da er sie noch nicht gelesen habe, wurde der Typ wütend und fiel Daniel so lange auf den Wecker, bis er versprach, ihm die Zeitung per Post zukommen zu lassen. Äußerst merkwürdige Situation!

Am nächsten Morgen checkten wir in aller Frühe aus und nahmen den Zug nach Agra.

Hannah

2006/04/27

Udaipur (Lake City) (27.4.2006)


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Am frühen Nachmittag kamen wir in Udaipur an. Ausnahmsweise war die Busfahrt einmal völlig unstressig. Die Landschaft veränderte sich auf den letzten Kilometern so stark, dass man das Gefühl hatte, ein neues Land zu erreichen. Nach den letzten von Hitze und Sand erfüllten Tagen in der Wüste Thar tat es gut, endlich wieder einmal ein paar Grünflächen, bewaldete Hügel und eine Seenlandschaft zu entdecken.
An einer Hauptstraße am Rande des Ortes wurden wir abgeladen und natürlich wieder zugleich von einem Schwarm Rikschafahrern bestürmt, in deren Augen wir vermutlich wieder nur wandelnde Brieftaschen waren.
Wir schauten uns zwei Hotels an und entschieden uns zum Schluss für eine leicht überteuerte Suite in einem schönen Hotel direkt am Seeufer. Denn was wäre Udaipur denn bitte ohne Seeblick? Wir hatten einen atemberaubenden Blick aus einem großen Erker unseres Havelis direkt auf den See und das gegenüberliegende Lake Palace Hotel, das, inmitten des Sees auf einer Insel erbaut, auf dem Wasser schwimmen zu schien.
Noch am gleichen Abend machten wir uns auf, den alten Stadtkern zu erkunden und in den vielen touristischen, aber schönen Läden zu stöbern. Besonders erfolgreich schien der Verkauf von Repliken der bekanntesten Miniaturgemälden aus den Palästen der Umgebung. Diese wurden überall in mehr oder weniger guter Ausführung an den Mann gebracht. Da einige wirklich ganz gut gelungen waren, entschlossen wir uns, in dieser Form ein kleines Souvenir mitzunehmen.
Leider ging es Daniel plötzlich überhaupt nicht gut und wir mussten relativ schnell ins Hotel zurück. Dort beklagte er sich (wie soll es anders sein?) über schlimme Bauchschmerzen und Übelkeit. Noch hatte ich die Hoffnung, er habe nur ein bisschen Magenprobleme durch zuviel Essen, aber in der Nacht bekam er Fieber und die üblichen Indien-Krankheits-Symptome. Unsere Fiebermittel und Antibiotika gegen die üblichen Kolibakterien griffen überhaupt nicht. Auch den Ganzen folgenden Tag blieb er reglos im Bett liegen, so dass ich bald einen Arzt rief. Dieser verschrieb einige andere Mittel und nach ein bis zwei Tagen ging es Daniel ein bisschen besser. Jetzt hatten wir aber endlich beide genug vom ewigen Kranksein und freuten uns sehr, bald den Weg nach Südostasien anzutreten, das hoffentlich weniger Bakterien- verseucht sein würde.
Leider haben wir die Zeit in Udaipur nicht besonders sinnvoll nutzen können, deshalb nahmen wir uns am letzten Tag genügend Zeit für den Stadtpalast und die städtischen Museen. Außerdem erstanden wir in einem der Miniaturläden zwei sehr schöne Bilder, die farblich uns stilistisch gut zusammen passten und nach langem Verhandeln wirklich äußerst preiswert waren. Der Verkäufer schien nicht besonders glücklich über den Deal, aber wir waren halt wild entschlossen, uns nicht abzocken zu lassen. Dafür gab es dann zum Schluss keinen Tee, aber das hielten wir ebenfalls für ein gutes Zeichen.
Inspiriert von den Dekorationen in den Palästen und Havelis wollte ich gerne noch ein paar alte Seidensaris als Vorhänge ergattern. In ein paar Stoffläden wurde ich dann auch fündig. Einige der alten Saris werden wohl nun in Deutschland ein wenig zweckentfremdet werden (es lebe die Emanzipation! J) und je nach Farbe zu Vorhängen und Kissenbezügen verarbeitet werden.
Da ich jedoch sehr genaue Vorstellungen der Farbkombinationen hatte, war ich dennoch nicht ganz zufrieden und wollte in Jaipur, unserer nächsten Station, noch ein weiteres Mal nach Beute Ausschau halten. Abends machten wir uns dann schwer beladen auf zum Bahnhof, um den Nachtzug zu nehmen.

Hannah

2006/04/24

Jodhpur (Blue City) (24.4.2006)


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Von Jaisalmer nahmen wir den Nachtzug nach Jodhpur, wo wir bereits in den (sehr) frühen Morgenstunden in unserem Guesthouse auftauchten und die Angestellten aus dem Bett klingelten. Da unser Zimmer noch nicht frei war, wir jedoch dringend noch ein bisschen Nachtruhe benötigten, riet man uns, doch im Open-Air-Restaurant auf dem Boden ( die typischen indischen Sitzkissen) zu schlafen, was wir dann auch taten.
Nach einigen Stunden wachten wir durch die zunehmende Hitze und die ersten Gäste, die zum Frühstücken auf die Terrasse kamen, auf. Wir genehmigten uns ein westliches Frühstück und einen starken Kaffee, bevor wir unser Zimmer, die so genannte Maharaja-Suite, bezogen. Tatsächlich hatte sich die indische Familie ein bisschen Mühe mit dem Zimmer gegeben. An den Fenstern hingen lange im Wind flatternde Vorhänge, im Erker des Zimmers stand ein Lesesessel, in einem weiteren lagen mehrere Sitzkissen ganz im Orientstil. Dennoch erschien uns das riesige 50er Jahre-Bett mit eingebauten Spiegeln und Bartischchen nicht ganz stilecht, na ja…. J
Entgegen unseren inneren Schweinehunden machten wir uns dann auch relativ schnell auf, die Umgebung zu erkunden und das riesengroße Fort, das wie ein gerade gelandetes UFO über der Stadt herausragte, zu erklimmen. Mittagshitze (ca. 42 Grad) und Unausgeschlafenheit machten uns ein wenig zu schaffen, dennoch war der Aufstieg alle Mühe wert. Im Inneren des alten Fort erwartete uns ein wunderbares Museum, das die Geschichte der Stadt toll vermittelte und wunderschöne Miniaturgemälde der Mogulzeit bereithielt. Wir blieben fast vier Stunden dort und wanderten trotz der Hitze nach einem kleinen Snack noch auf die andere Seite der Anlage, um einen Hindutempel, der auf den hohen Felsen erbaut war, zu bestaunen. Leider war der Stein unter unseren Füssen so heiß, dass wir den Tempel nicht betreten konnten (Schuhe muss man ja ausziehen, bevor man den Tempel betritt).
Danach wollten wir die Innenstadt erkunden. Leider war in dieser Stadt aber jeder so dermaßen unfreundlich, dass uns schnell die Lust daran verging. Außerdem wurde ich, sobald Daniel mir auch nur für ein paar Sekunden den Rücken zukehrte, von allen Seiten dumm angemacht und angetatscht, obwohl ich trotz der sengenden Hitze mit Schal herumlief…diese blöden Typen haben mir dann leider den Tag verdorben und auch die Lust auf ihre Stadt. An uns konnte dann wohl nur noch die Busgesellschaft was verdienen - wir fuhren weiter nach Udaipur.

Hannah

2006/04/23

Jaisalmer (Golden City) (23.4.2006)


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Im Zug nach Jaisalmer lernten wir eine Menge Inder kennen, unter anderem ein munteres Mädchen aus einer Familie, die halb in Gujarat und halb in Jaisalmer lebt… Sie fragte uns nach dem Leben im Westen aus und war vor allem an spannenden Themen wie „boy/girl friends“ und „love marriages“ interessiert. Sie nahm uns mit zum Rest der Familie, die gerade für einen der Söhne seine Braut aus „UP“ (Uttar Pradesh, die Region um Delhi, ohne Delhi selbst) abgeholt hatten und zur Hochzeitsfeier nach Jaisalmer zurückfuhren. Natürlich handelte es sich um eine „arranged marriage“: die beiden kannten sich vor der Hochzeit nicht. Erwartungsgemäß kann so was ja nach hinten losgehen: auf jeden Fall hatte sie nicht gerade einen Schönling erwischt. Unsere kleine Freundin betonte, dass für sie nur eine Liebesheirat in Frage komme – das müsse sie nur noch bei ihren Eltern durchsetzen. Viel Glück dabei! Die Familie war überraus interessiert und lud uns zur Hochzeitsfeier ein (wir konnten aber wegen unseres arg gerafften Reise-Zeitplans nicht so lange in Jaisalmer bleiben).
Jaisalmer ist eine kleine aber jahrhundertealte und traumhafte Festungsstadt in der Wüste. Schon auf dem Weg dahin begegnet man unzähligen Kamelen, die hier noch das bevorzugte Transportmittel sind. Wenn sich schließlich Jaisalmer Fort vor dem Himmel abzeichnet, fühlt man sich in ein orientalisches Märchen versetzt. Das Fort ist das einzige in Indien, das noch komplett bewohnt ist und damit eine Art lebenden Museums darstellt. Wir zogen in das kleine, aber wunderschöne Hotel Killa Bahwan ein, das in einem der Wachtürme über den drei Toren untergebracht ist.
Abgesehen von Fort selbst sind in Jaisalmer vor allem der Palast, die Jain-Tempel (die Jains sind eine weit verteilte religiöse Minderheit in Indien) und die alten Havelis in der Altstadt sehenswert. Die Havelis, vor allem durch ihre mit Steinmetzarbeiten, die fast wie Holzschnitzereien aussehen, bekannt, sind die sehr repräsentativne Häuser der reichen Kaufmänner aus der Kriegerkaste der Rajputen (Rajasthan = Land der Rajputen). Die Havelis sind überaus schöne Gebäude und einige der besten davon sind in der Altstadt von Jaisalmer verteilt. Wir waren schwer beeindruckt. Hannah musste leider auf die schmerzhafte Art feststellen, dass allerdings auch in den pompösen Häusern die Türhöhe nicht gerade besonders hoch ist: sie knockte sich kurzzeitig an einem der Durchgänge selbst aus.
Beliebte Touristenattraktionen außerhalb von Jaisalmer sind die Sanddünen der Wüste als Sonnenuntergangsort und natürlich die Kamel-Safaris aller Art. Wir kombinierten beides und ritten auf Kamelen zu den Sanddünen ca. 30 Kilometer vor Jaisalmer. Auch wenn die „hot season“ als no-go für Rajasthan gilt: es ist zwar wirklich sehr heiß – aber wenigstens begegnet man dann in der „einsamen“ Wüste nicht andauernd anderen Touristen. So waren wir mit unseren beiden Kameltreibern und unseren Dromedar-Wüstenschiffen „Rocket“ und „Michael Jackson“ (irgendwie waren die Namen ethnologisch gesehen nicht ganz befriedigend, aber…) dann zumindest bis zu den Sanddünen alleine. Dort wurden aber dann Horden von indischen Touristen mit Jeeps hingekarrt, die dann auch alle in den Genuß eines Kamelritts kamen (vom Parkplatz bis auf die Düne rauf)… Naja, ein einsamer Sonnenuntergang war es nicht, aber trotzdem schön.
In Jaisalmer wären wir gerne noch länger geblieben – aber unser Zeitplan drängte uns weiter.
Nachdem unsere Riskshaw auf dem Weg zum Bahnhof zum großen Kummer unseres Fahrers ihr 2-Tackter-Leben aushauchte erreichten wir dennoch noch rechtzeitig den Nachtzug nach Jodhpur. Leider machte der Zug etliche Zwischenstopps und war mit ziemlich angeheiterten Sikhs bevölkert, so dass wir in den sowieso knapp bemessenen 6 Stunden nicht wirklich viel Schlaf fanden. Hannah bat den Schaffner (hier TC = Ticket Collector), doch noch eine Extrarunde einzulegen… Merken: in Indien immer mindestens 10 Stunden Zug am Stück fahren.

Daniel

2006/04/21

Delhi (21.4.2006)


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Am recht poschen Airport wurden wir in unserem Pre-Paid-Taxi direkt schon mal von einem Comission Guy in Empfang genommen. Er hatte Hannah gefragt, ob sie das erste Mal in Delhi sei und sich dann selbst zum Beifahrer in unserem Taxi gembacht. Es geht immer um dasselbe: Erstbesucher von ihrem Hotel ab- und in einem Komission zahlenden Hotel unterbringen. Oft sind Hotels „closed“ oder es sind „riots“ in der Gegend. Seine Masche und der neuste Trick: Besuchern wird vorgegaukelt, dass der Taxifahrer das Hotel nicht kennt, sie halten bei einer „Tourist Information“, wo man das Hotel anruft um festzustellen, dass das Zimmer doppelt gebucht ist – ein neues Hotel ist aber zum Glück schnell gefunden. Alles getürkt natürlich... Welcome back to India. Mit indischem Handy, aufgeschriebener Taxinummer und deutlichem Hinweis auf die „Tourist Police“ (die ist für so was zuständig) verzichten die beiden dann aber doch auf Zwischenstopps und es viel Ihnen wieder ein, wo das Wongdhen House in Manju-ta-killa ist.


Das Wongdhen erwies sich als gute Wahl, denn es war sauber und freundlich wie kaum ein anderes Hotel, dass wir bis dahin hatten (und das für 225 Rupien, 4 EUR). Bei Manju-ta-killa handelt es sich um eine tibetische Enklave – gegründet nach dem Völkermord und der Massenflucht die die Chinesen in Tibet anrichteten. Free Tibet werden wir wohl nicht mehr erleben – zu wünschen wäre es aber diesem Volk.
Hannah wurde leider krank, dadurch blieben wird länger in Delhi als geplant. Dehli ist im Zentrum wesentlich „westlicher“ als die anderen indischen Städte: es gibt McDonalds, KFC und Pizza Hut sowie Monostores von Adidas und anderen Westmarken. Direkt unter diesen Läden aber brodelt der unterirdische Palika Bazaar, wo um gefälschte T-Shirts und Düfte, Elektronik jeder Art und so ziemlich alles erdenklich andere gefeilscht wird. Insgesamt ist Dehli eine sehr toughe Stadt: ganz so wie man es von der indischen Hauptstadt erwartet. New und Old Dehli sind übringens nicht zwei getrennte Städte, sondern eher zwei Zentren innerhalb derselben Stadt (vergleichbar mit Berlin, nur halt 5mal so gross und dreckig).


Klassische Sehenswürdigkeiten sind in Delhi das „Rote Fort“, dessen Besitz jahrhundertelang den Herrschaftsanspruch über (Nord-)Indien manifestierte. Zudem gibt es mit der Jama Masijd die größte Moschee Indiens in Delhi. Wegen des Bombenanschlags auf die Gläubigen am zweiten Tag unseres Besuches verzichteten wir aber auf den Innenraum. Wir sahen und die National Gallery (sehenswert) und das National Museum (etwas angestaubt) an und besorgten auf dem besagten Palika Bazaar eine neue Kamera, da die alte einen kleinen Wassereinbruch aus meiner Wasserflasche nicht überstanden hatte.


Überflüssiges Gepäck schickten wir von der Post aus. Die Post in einer knappen halben Stunde schliessen würde war natürlich der Gepäckschalter schon geschlossen („nine to five“ ist in Indien eher „ten to four“) – und außerdem war unser Paket noch gar nicht eingenäht. Mit ein wenig Bakschisch, Schmiergeld, ging es aber dann doch noch. Das war unsere einzige Gelegenheit ein wenig von der berühmt-berüchtigten indischen Schmiere zu zahlen (in diesem Fall 3 EUR). Den Sinn des Einnähnes (alle indischen Pakete werden verpflichtend in weißes Leinen eingenäht) konnten uns aber auch diesmal die plötzlich sehr hilfsbereiten Postbeamten nicht erklären: immerhin wussten sie, dass in anderen Länder Pakete nicht eingenäht werden. Dieselbe Frage rief auf dem Land meist ungläubiges Entsetzen vor (man stellte sich das nur einmal vor: NICHT-eingenähte Pakete… auf solche Ideen können auch auch nur Westler mit halbangezogenen Weibsbildern (ohne Sari) kommen). Die beste Antwort, die wir erhielten war ein etwas unspezifisches, aber mit breiter Überzeugung vorgetragenes „for security reasons“. Überzeugt nicht ganz, wir glauben eher an kulturell verankerte ABMs.


Nach langem hin- und herüberlegen, prüfen der Flugpreise und Telefonaten mit Wagma und verschiedenen Botschaften entschieden wir uns schließlich gegen die ursprünglich angedachte Überlandroute durch Pakistan nach Kabul (was uns angesichts der sicherheitspolitischen Situation von praktisch allen dringend geraten wurde) und für einen Direktflug nach Bangkok.


Vorher wollten wir uns aber noch Agra und Rajasthan ansehen – die klassischen Reiseziele in Indien. Nachdem wir einen Zug einfach verschliefen (wir entschieden uns entgegen des Weckers um 4.30h spontan doch noch weiter zu schlafen…) und am nächsten Tag das Taj Mahal in Agra geschlossen war, beschlossen wir, Rajasthan von hinten aufzurollen und den Jaisalmer-Express zu nehmen, der uns in einer langen Fahrt den äußerten Westen Indiens, an die pakistanische Grenze und an den Rand der Wüste Thar bringen sollte. Fast hätten wir auch diesen Zug verpasst: nachdem wir bereits mittags unser Gepäck im Hauptbahnhof „New Dehli Train Station“ (eigentlich aber in der Old City gelegen und der Bahnhof, wo fast alle touristischen Fernziele angefahren werden) aufgegeben und noch in Seelenruhe eingekauft und gegessen hatten und uns auch noch eine konkrete Plattform für den Zug genannt wurde, waren wir dann doch etwas geschockt, als wir 20 Minuten vor Abfahrtszeit dann erfuhren, dass wir am falschen Bahnhof warteten. Die Abkürzung DEL muss noch lange nicht Dehli Hauptbahnhof bedeuten. Wäre schlau gewesen, wenn uns das die Ticketverkäufer von „Tourist Quota Counter“ oder die Leute von der Gepäckaufbewahrung gesagt hätten – aber gut: 19.59 Minuten und eine halsbrecherische Rickshawfahrt plus einen Spurt mit „nur noch“ 45kg Gepäck einmal quer über die -tata- „Old Dehli Train Station“ sprangen in der sprichwörtlich letzten Sekunde und nur dank der eines aufmerksamen Mitreisenden auf den schon anrollenden Zug auf (Hannah verwettete schon Leib und Leben darauf, dass wir es nicht mehr schaffen würden)… Das richtige Work-Out vor 19 Stunden Zugfahrt.



Daniel

2006/04/14

Kathmandu (14.4.2006)


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Nachdem wir in Varanasi weder aus indischen (Reisebüro, Traveller, Zeitung…) noch unseren deutschen Quellen (Freunde, spiegel.de, auswaertigesamt.de…) irgendetwas von einem bevorstehenden Generalstreik in Nepal gehört hatten, kamen wir nach einer Nachtfahrt mit der überfüllten Bahn und weiteren 3 Stunden mit dem Minibus wild entschlossen an der nepalesischen Grenze bei Sunauli an – um dann festzustellen, dass keine Busse ins Landesinnere fuhren. Da der 4-Tage-Generalstreik am nächsten Tag beginnen und den Busfahrern die Rückfahrt aus Kathmandu unmöglich machen würde, hatten sie bereits am Morgen den Betrieb von der Grenze eingestellt. Die Grenzbeamten konnten uns nicht sagen, ob wir eine Möglichkeit finden würden, nach Kathmandu zu kommen und boten uns an, die Lage erstmal ohne Visum (immerhin 30$ pro Nase) zu sondieren, und uns die Rückkehr nach Indien offen zu halten. Sehr nett von ihnen, aber auch nicht gerade viel versprechend.

Wir gingen unsere Optionen durch, soweit uns die auch hier anzutreffenden „Comission Guys“, die uns Jeeps vermitteln wollten, Ruhe dazu ließen (gestrandete Touristen mit Kreditkarte sind aber auch zu verlockend!). Es fuhr noch ein Bus nach Pokhara, dem zweiten Touristenziel in Nepal, den unsere zwei im Bus kennen gelernten Japaner nahmen. Da wollten wir aber nicht hin und hätten dann wohl nicht die Möglichkeit, in den nächsten 4 Tagen nach Kathmandu zu kommen. Gerüchteweise sollten noch im nächst größeren Ort Busse fahren – Hannah legte aber Veto dagegen ein: sollte der Bus langsam vorankommen würde er Kathmandu vielleicht nicht vor der nächtlichen Ausgangssperre (23-4h) erreichen – was dann fünf Stunden zusätzlich am Straßenrand bedeutet hätte. Hannah schlug vor, stattdessen tatsächlich einen Jeep zu nehmen – schneller als der Bus. Das war mir wiederum nicht so recht: der Jeep war zwar schneller, aber dennoch vor Straßensperren und Maoisten-Gefechten nicht sicher – und das zum 2/3-Preis des Fluges. Ich liebäugelte daher sowieso schon mit der Propellermaschine, als wir nach etlichen Telefonaten schließlich eine Absage vom potentiellen Fahrer bekamen: er wollte ebenfalls nicht in Kathmandu stranden. Da wir beide aber auch nicht nach Indien zurück wollten, fanden wir uns letzten Endes und zu unserer eigenen Überraschung am 10 km entfernten, winzigen „Buddha Airport“ von Lumbini (Geburtsort von Buddha) in einer Propellermaschine von „Cosmic Airways“ wieder. Der Flug war ziemlich wackelig und ging durch spektakuläre (Wolken-)Berge. So etwas wie ein Phantasialand-Ride – nur „in echt“.

In Kathmandu angekommen empfing uns unser Hotelmanager mit hochgehaltenem Namensschild… na, für 4 Euro die Nacht ist ja ein persönliches Abholen der Gäste am Flughafen wohl auch das Mindeste. Im Reiseführer als „durch Verkehrschaos, Lärm und Dreck schockierend“ beschriebene Kathmandu erwies sich für uns als relativ geordnet und tranquil. Der Autor kam wohl nicht aus Indien. Das etwas cheesige, aber gut ausgestattete „Blue Horizon Hotel“ (Hot!! Shower, TV, Telefon) erwartete uns für die erste Nacht – und wurde dann unabsichtlich zu unserer Heimstätte für die nächsten acht Nächte. Wir waren froh über Fernsehen (wer uns kennt, weiß wie ungewöhnlich das ist!): CNN, BBC, Deutsche Welle TV, Discovery Channel, HBO, Star Movies… Wie schön kann doch Kulturimperialismus sein – wir entschieden uns für die James-Bond-Night auf Star Movies und gingen nicht mehr vor die Tür.

Im Lauf der Tage erfuhren wir dann letztlich doch ziemlich genau, was in Nepal politisch so los ist – und ich gebe hier mal einen Abriss über die Situation:
Der König scheint ein ziemliches ignorantes und machtgieriges, Royalisten mögen mir verzeihen, Arsch zu sein. Er hat die 1992 gewährte und in der Verfassung verankerte konstitutionelle Monarchie im Februar 2005 wieder in eine absolute Monarchie umgewandelt und sich selbst zum Premierminister ernannt und regiert das Land durch seinen Oberbefehl über die Armee als De-facto-Militärdiktator. „Königreich“ klingt romantischer, als es ist. Niemand in Nepal, den wir getroffen haben, konnte den König leiden oder hatte auch nur eine neutrale Einstellung. Seit einem Jahr bemühten sich die demokratischen Kräfte also schon um die Wiederherstellung der Demokratie.
Abgesehen von diesem Konflikt liefert sich die Armee seit 2001 immer wieder Gefechte mit den Maoisten, die aus der drückenden Armut heraus einen Rebellenaufstand begonnen haben. Sie haben etwa die halbe Landesfläche unter Kontrolle. Sie fordern einen Ein-Parteien-Staat, Landreform und orientieren sich chinesischen Kommunismus. Wie man immer noch im vollen Idealismus für die Einführung des Kommunismus kämpfen kann, entzieht sich meinem Fassungsvermögen. Wenigstens kann man hier Ungebildetheit und verzweifelte Lage attestieren. Na ja, die gut-gemeinte bis gefährliche Utopie des Kommunismus ist eine andere Geschichte und ich will jetzt meine Meinung darüber nicht diskutieren: Vielleicht ist es ja in Nordkorea & Co. doch super… Was weiß ich schon. Jedenfalls gibt es regelmäßig Gefechte zwischen den beiden Parteien, so dass man durchaus von einem, wenn auch latenten, Bürgerkrieg sprechen kann.
Damit es noch besser wird: Nepal ist nicht nur arm wie Indien, sondern wirklich ganz am Ende des Skala. Da keine Überbevölkerung herrscht, macht sich das zwar nicht in Hungersnöten bemerkbar – aber das reale Pro-Kopf-Einkommen ist eines der niedrigsten der Welt (man wechselt sich mit Katastrophen-Ländern wie Bukina Faso auf dem letzten Plätzen ab). Die pseudo-demokratische Regierung konnte daran bisher nichts ändern. Ganz tolle Aussichten also für das überaus freundliche Himalaya-Volk (eigentlich mehrer Völker: Newari, Sherpas…). Der Tourismus ist gegenüber 2000 auf nur noch 20 Prozent des Maximums zurückgegangen, was die letzte Einnahmequelle Nepals zerstört. Alle Konfliktparteien versuchen, den Touristen ein gutes Gefühl („you`re welcome in Nepal!“) zu geben und sie dazu zu bewegen, dennoch zu kommen: Jeder Partei ist klar, dass Nepal seine einzige vernünftige Einnahmequelle nicht verlieren darf. So ist man als Tourist auch im Maoisten-Gebiet sicher: Man muss nur ein festgesetztes Schutzgeld an die Rebellen zahlen, wenn man einem ihrer Trupps begegnet. Die Höhe entspricht dabei in etwa der Visumsgebühr und soll verhindern, dies wird als Grund genannt, dass der König einseitig vom Tourismus profitiert. Dennoch ist es natürlich Erpressung, egal wie nett die Knirpse mit der M16 auch sein mögen. Immerhin erhält man eine Quittung (es soll ja mal eine ordentliche sozialistische Bürokratie werden) und muss beim nächsten Trupp nicht noch einmal zahlen. Oft versuchen sich Armee- oder Rebellentrupps mit Trekkern anzufreunden und wandern ein Stück mit ihnen. Sinn der Aktion ist es, so riskante Gebiete zu überbrücken – denn wenn Touristen in der Nähe sind, wird die Gegenpartei kein Feuer eröffnen. Es wurde in den Jahren zuvor nie Tourist entführt oder verletzt. So läuft dieser Konflikt also seit Jahren ab, ohne dass amerikanische Otto-Normal-Everest-Base-Camp-Wanderer etwas davon merkt, dass er gerade mitten durch einen Bürgerkrieg trekkt. Skurril.

Soweit die Ausgangslage. Nun haben aber hatten die Nepalis endgültig die Schnauze voll. Nach etlichen Warnstreiks in diesem Jahr wollte die Bevölkerung, angeführt von der „Seven-Party-Alliance“ aller demokratischen Parteien, den Studentenvereinigungen, den unabhängigen Medien, den Gewerkschaften, Berufsverbände wie Professoren, Ärzten, Anwälten… einen kompletten 4-Tage-Generalstreik über das ganze Land durchziehen. Nichts ging, wirklich gar nichts: Keine Geschäft war geöffnet, kein Beamter verrichtete Dienst, kein einziges Auto fuhr, die Krankenhäuser wurden geschlossen. Die Nachricht war für das freundlichen Nepal so unmissverständlich wie sie nur sein konnte möglich: König weg, Demokratie her.

Dieser reagiert, wie er schon zuvor reagiert hat: es wird keinen Millimeter nachgegeben. Am dritten Tag des Generalstreiks und der Protestkundgebungen verhängt er als Gegenmaßnahme eine komplette Ausgangssperre (üblicherweise 10-17h und 22-5h, aber jeden Tag anders). Zudem verordnet er das Abschalten aller Mobiltelefonnetze (jepp, auch Telekom), um Demonstrationen zu verhindern. Bei Zuwiderhandlung gegen die Ausgangssperre wurde mit Schusswaffengebrauch gedroht.

Die SPA wiederum entschied, der Repression nicht nachzugeben und verlängerte daraufhin den Streik ins Unendliche. Die Lage spitzte sich zu: Straßensperren wurden aufgebaut und Reife angezündet, auf den internationalen Kanälen wird Nepal zum Thema, es jeden Tag gibt es etliche Verletzte und einige Tote bei den dennoch stattfindenden Protestveranstaltungen. Bitter dabei war: Nepal hat eine Pflichtarmee. Das heißt, den protestierenden Studenten stehen 19-Jährige mit Schiessbefehl gegenüber, die vermutlich lieber auf der anderen Seite stehen würden.

Natürlich galt die Ausgangssperre nicht für uns. Die Touristen konnten sich frei bewegen, wir wurden nur in Unruhegebieten gebeten, umzudrehen. Im Touristenviertel Thamel waren auch einzelne Restaurants, Shops und natürlich die Hotels geöffnet. Lediglich am Sonntag konnten wir nicht wirklich vor die Tür: wir liehen uns einen DVD-Player. Gingen wir ansonsten auf die Strasse, so bestimmte ein seltsames Bild diese Tage in Kathmandu: einzelne Touristen (fast alle wollten in Nepal bleiben) zogen durch eine verbarrikadierte Geisterstadt, während die Nepalis in ihren Hauseingängen und hinter ihren Fenstern saßen – eingesperrt von ihrem König.
Die Lage wirkte für uns angespannt, aber nicht bedrohlich: es waren keine Schüsse zu hören, bis auf ein paar Rauchfahnen in der Ferne und die allgegenwärtigen Armeefahrzeuge war nichts zu sehen. Trotz der Situation war Nepal immer noch sehr entspannt, weit weniger anstrengend als ein Tag in einer indischen Großstadt etwa. Zudem war die touristische Infrastruktur zwar teilweise außer Betrieb – selbst der verbleibende Rest war aber mehr, als in den meisten indischen Städten. So konnte man etwa auch italienisch (richtiger Weißwein, Hannah glücklich), deutsch (haben wir aber nicht ausprobiert), thailändisch und japanisch essen gehen, es gab Shops mit kopierten westlichen DVDs und CDs und kleine Supermärkte in denen man sogar HARIBO (Hurra!) kaufen konnte.

Viel zu berichten gibt es über die Tage nicht: Hannah las ihr „Shantaram“, ich mein „Elementarteilchen“ (ganz interessant, aber etwas plakativ wie Houllebeq halt schreibt). Mit „Memories of a Geisha“ (schön ausgestattet), „Master & Commander“ und „Brokeback Mountain“ (etwas zu lang, aber sehenswert) sahen wir auch zum ersten Mal seit langem wieder ein paar gute Filme. Leider war ich zwischen durch zwei Tage ziemlich krank: Travellers Diarrhoe, nicht schön, kein weiterer Kommentar. Mit selbst ausgesuchten Antibiotika (in Asien ist das nicht so mit „ich kann ihnen das Medikament nur mit Verschreibung verkaufen!“ ;)) hatte ich den Aufstand in meinem Magen-Darm aber dann wieder unter Kontrolle.

Wir konnten uns aufgrund der mangelnden Rikschas nur die Sehenswürdigkeiten in unmittelbarer Nähe der Innenstadt ansehen. Zum Glück gibt es davon viele: alleine am Durbar Square erdrücken sie einen geradezu. Hier fühlt man sich sofort und glaubwürdig um Jahrhunderte zurückversetzt. Hier hatten wir ausnahmsweise mal Glück in Nepal: die Kumari, die lebende Göttin kam aus ihrem Haus und wir konnten sie aus nächster Nähe sehen. Das passiert nur 3- bis 4-mal im Jahr für ein paar Minuten – und wir standen nur zufällig davor. Die Kumari wird aus der Riege der Gold- und Silberschmiede erwählt: es handelt sich um ein kleines Mädchen, dass eine Gottheit sein soll. Welche der in Frage kommenden Mädchen es ist, wird durch eine Reihe von Prüfungen (unter anderem Erschrecken durch ein Geisterschauspiel der Mönche, Aussuchen der Kleidung der alten Kumari unter einer Auswahl verschiedener Möglichkeiten) herausgefunden. Sobald die Kumari ihre Periode bekommt, muss sie als Göttin abtreten und wird selbst wieder ersetzt. Solange residiert sie als lebende Gottheit im Haus der Kumari (Fotos!).
Einen ansehnlichen Durbar Square (Palastplatz) hat auch Patan, einstiger Gegenspieler, jetzt Vorort von Kathmandu (leider keine Fotos, Kamera kaputt).

Die berühmteste Stupa der Welt, und neben dem Mount Everest, das Wahrzeichen Nepals ist die Swayambhunath Stupa, die wir uns unter Einsatz unserer Schenkel dann doch nicht entgehen lassen wollten (sie liegt nur ein paar Kilometer von der Innenstadt entfernt auf einem Berg im Kathmandu Valley). Wir wählten den steilen, aber eindrucksvolleren Aufstieg von der Ostseite – und wurden mit einem magischen Ort belohnt, der aufgrund der Rahmenbedingungen auch ziemlich wenig besucht war - die Affen waren DEUTLICH in der Mehrheit gegenüber ihren evolutionären Nachfolgern. Sogar die Affen waren weniger aufs Betteln und Stehlen aus als ihre indischen Artgenossen – verwunderlich, dass der buddhistische Einfluss so weit reicht. Bei der Gelegenheit lernten wir auch zwei Jungs von der Armee (der königlichen) kennen, die gerade frei hatten. Wir viele ihrer Altergenossen haben sie das Ziel, wenigsten ein paar Jahre aus Nepal herauszukommen und etwas Geld zu verdienen: als UN-Blauhelme im Sudan oder auf Haiti – viel mehr Karrierechancen hat man als Nepali nicht. Langsam wurde mir klar, warum die ganzen UN-Blauhelme immer aus Pakistan, Bangladesh, Indien oder eben Nepal kommen.

Wir hatten keine schlechte Zeit in Kathmandu und waren sehr angetan von den Nepalis. Leider hatten wir einfach Pech mit dem Zeitpunkt, so dass wir schließlich vom De-Facto-Eingesperrt-Sein so genervt waren, dass wir uns für einen zweiten Flug entschieden – und nicht mehr auf die Wiederaufnahme der Busverbindungen warten wollten. Da Wagma ihre Pläne geändert hatte und wir uns nun doch nicht mehr wie ursprünglich geplant in Islamabad treffen würden, überlegten wir zwischenzeitlich, Indien Indien sein zu lassen und von Kathmandu direkt nach Thailand zu fliegen, wenn wir nun doch einen weiteren Flug zahlen mussten (uns wurden übrigens dann auch noch die 30$ Visum abgeknöpft). Einerseits wollte ich aber erst nach anderen Möglichkeiten schauen, wie wir uns doch mit Wagma, Masood und Saladin(!!) in Kabul treffen könnten und zum anderen waren wir ja noch nicht in Rajasthan gewesen, dem Orient-Reiseziel in Indien überhaupt. Daher buchten wir kurz entschlossen und genervt von König zweimal Sahara Airlines nach Delhi International. Falls ihr mal in die Situation kommen solltet: Sahara Airlines ist äußerst empfehlenswert! Moderate Preise, Megabeinfreiheit, nette Besatzung… und Bier (?!) gratis. Machte auf jeden Fall den Widereinstieg nach Indien leichter. Der Panorama-Blick auf das Himalaya war natürlich auch nicht schlecht.

Und was passierte mit Nepal?
Neben den ganzen innenpolitischen Gruppen versuchten auch die UN, die EU, die USA, Japan und Indien den Druck auf den König zu erhöhen.
Dennoch sollten noch 10 Tage mit Streik und Ausgangssperren und zunehmender Gewalt folgen (es war also die richtige Entscheidung raus zu fliegen). Soweit ich das hier in Indien in Erfahrung bringen konnte eröffnete die Armee bei einer großen Veranstaltung tatsächlich das offene Feuer auf die Menge (soweit ich weiß 10 Tote) – worauf hin die Empörung in Nepal so groß wurde, dass endlich, wie von Hannah vorausgesagt, auch die weniger politisch engagierten Nepalis zu Hunderttausenden (also praktisch alle) auf die Strassen Kathmandus gingen und, ganz im Stile Leipzig und Ost-Berlins, dem König ein wütendes „Wir sind das Volk!“ entgegen schrieen…auf Nepali natürlich. Der König hat daraufhin endlich nachgegeben. Was auch immer jetzt passieren mag: Alles Gute, Nepal!

Daniel

2006/04/05

Varanasi (5.4.2006)


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Originally uploaded by schlagwein.

Varanasi, 31.3.- 5.4.2006

Nach ca. 10 Stunden Bahnfahrt erreichten wir den Bahnhof Kashis, einem Vorort Varanasis. Wir vermieden den Hauptbahnhof der Stadt in der Hoffnung, so den Massen geldhungriger Rikschafahrer und Comission-Guys zu entgehen, was auch fast funktionierte. Nach langem Hin und Her (die Inder sind nie zu müde, mindestens zehn Minuten den Preis zu verhandeln!), waren wir, verteilt auf zwei Rikschas, auf dem Weg in die Innenstadt. Es ist anzunehmen, dass die Rikschafahrer auch von dem Besitzer des Cafes, an dem sie uns mit der Bemerkung „von hier nicht mehr weit – only by foot“ absetzten, ebenfalls Komission erhielten. Denn im Nachhinein bemerkten wir, dass es keineswegs ein Problem gewesen wäre, uns bis zum angestrebten Hotel zu fahren. Nun, der Ort war nicht der schlechteste und somit nahmen wir im Innenhof des Cafes erst einmal ein Frühstück zu uns.
Danach machten Daniel und ich uns erst einmal auf die Suche nach zwei Doppelzimmern, während Norwegen auf unser Gepäck aufpasste.
Schon auf unserer ersten Fahrt in die Stadt war kaum zu übersehen, dass die Stadt aus allen Nähten platzte! Enge Straßen und Gassen, überfüllt von Menschen, Kühen und in erster Linie Mist – im wörtlichen Sinne. Varanasi ist ein großes Dorf und die Gassen bieten nun einmal keinen Platz für so etwas wie einen Misthaufen. Also hieß es, Hosen hochkrempeln und schauen, wo man hintritt… Trotz eines unglaublichen Lärmpegels und einer der schrillsten Kulissen, die Indien zu bieten hat, habe ich diesen Ort sofort in mein Herz geschlossen. Kein anderer Ort in Indien, den ich bisher gesehen hatte, erschien mir authentischer als dieser. Schönere Orte gab es definitiv, aber spätestens in Varanasi weiß jeder, dass er in Indien ist. Und auf dem Festland fühlte ich mich nur in Hampi gleichermaßen wohl. Es ist also doch nicht nur der Dreck und der Lärm, der mich in diesem Land manchmal um den Verstand zu bringen scheint! Ich war so zufrieden, endlich einen Ort vorzufinden, an dem man nicht krampfhaft versuchte, westlich zu sein! Und das Resultat konnte sich sehen lassen: überall begegnete man den heiligen Männern, Saddhus genannt, die in grell gläubiges Orange gekleidet und mit einem Turm verfilzter Haare auf dem Kopf, auf die Almosen der Gläubigen angewiesen durch die Stadt wandelten. An jeder Ecke konnte man Heiligenbildchen, Betketten, Opfergefäße, Räucherstäbchen und Götterfiguren erwerben. Natürlich hatte man sich auch auf die westlichen Besucher eingestellt und so ist Varanasi ein Einkaufspradies für alle, die eine Vorliebe für bunte Batik- und Seidenklamotten, Hippiehemdchen, Glasperlenketten, Patchworkdecken und schrille Handtaschen haben.
Wir verbrachten eine Nacht in einem sehr preiswerten und gepflegten Hotel, das wir danach jedoch für ein ebenfalls billiges Zimmer mit Gangesblick von einem kleinen Balkon in einem anderen Guesthouse aufgaben. Die Besatzung des Ganpati Guesthouses ist zwar nicht die zuvorkommenste, allerdings kann sich die Anlage mit ihrem schönen Innenhof, in dem zwei kleine Baby-Kaninchen herumhopsten (Fotos!), echt sehen lassen. Leider hatten wir jeden Morgen ab ca. 7 Uhr unter einem Powercut zu leiden, da die Stadt wie viele indische Städte auf diese Art und Weise Strom einsparen wollte. Uns betraf das in sofern, dass der Ventilator in unserem Zimmer den Geist aufgab und wir ein paar Minuten später anfingen zu kochen. Des Weiteren befand sich offenbar neben unserem Raum die Küche, die aufgrund der generell unzureichenden Stromversorgung auf einen sehr lauten Generator angewiesen war. Somit war ein Verschlafen schier unmöglich und unser Tag begann im Allgemeinen und zu meiner „großen Begeisterung“ zu früh. Für die Inder ist es nichts Ungewöhnliches, den Tg morgens um fünf oder sechs mit der aufgehenden Sonne zu beginnen und ihn pünktlich mit der Dämmerung auch zu beenden, da sowieso nicht alle über elektrische Versorgung verfügen. Dieser Rhythmus obliegt der Ganzen Stadt und somit wurden nach den letzten Gebeten am Ganges überall die Bürgersteige hochgeklappt. Ein Schild in unserem Guesthouse bat den aufmerksamen Leser, spätestens um 22.30 Uhr sein Zimmer aufzusuchen. Als wir eines Abends nicht auf die Zeit achteten und gegen 00.00 Uhr erst den Heimweg antraten, da wir in einem der Touri-Läden mal wieder viel zu lange auf unser Essen warten mussten, standen wir tatsächlich vor verschlossenen Türen und konnten uns nur durch lautes Klopfen bemerkbar machen. Mit vorwurfsvollem Blick ließ man uns dann doch noch ein. Am nächsten Abend waren wir wieder pünktlich, gab es doch eh nicht soviel zu tun im Dunkeln der Nacht…
In fünf Tagen in dieser chaotischen, aber sehr atmosphärischen Stadt besuchten wir natürlich auch die Verbrennungsanlagen am Ganges, in dem sich die Hindus nach ihrem Tod verbrennen und ihre Asche über den Fluss in den Kreislauf des ewigen Lebens zurück gelangen lassen. Für die Hindus ist der Ganges heilig und es bedeutet ihnen die größte Ehre, in Varanasi sterben zu dürfen. Alle Hindus, die es sich leisten können, reisen wenigstens einmal in ihrem Leben an des Fluss, um sich darin zu waschen – ein heiliges Ritual, das sich für einen Nicht-Gläubigen nicht nachzuahmen empfiehlt, kann es doch schon mal zu Kollisionen der dritten Art im Wasser kommen: die Leichenreste werden einfach in den Fluss geschickt…
An den Verbrennungsstätten kann man sich aussuchen – je nach Reichtum und Status – mit welchem Holz man verbrannt werden möchte. Am teuersten ist natürlich Sandelholz, aber im Umkreis von Kilometern wird es einem vermutlich jeder danken, sich für diesen kleinen Luxus entschieden zu haben. Meine Nase ist ja nicht nur groß, sondern auch extrem empfindlich und so bin ich natürlich in den doppelten Genuss gekommen. Am Ufer des Ganges gibt es drei offizielle Verbrennungsanlagen, die Tag und Nacht im Gange sind. Dabei werden an jeder dieser Stellen zeitgleich bis zwischen fünf bis zehn Körper verbrannt.
Eine dieser drei „Krematorien“ funktioniert neuerdings hochmodern und elektrisch – wir sind zum Glück nur in den natürlichen Genuss gekommen. So weit so gut! Letztendlich hat mich aber dann dennoch gewundert, was die ganzen Männer in den Fluten neben den halb verbrannten Leichen suchten… Ein Mann neben uns erklärte, dies seien Arme, die darauf spekulierten, an Resten der Verbrannten noch Fingerringe oder Zahngold zu finden. Jetzt sah ich es auch: die Männer tauchten hin und wieder am Flussufer ab, manche hatten sogar Werkzeuge in der Hand, die sie einsetzten. Den Rest erspare ich Euch jetzt hier. Tja, wir waren in Indien und demzufolge konnte mich noch nicht einmal diese Spektakel schocken!
Abends haben wir uns am Ufer in der Innenstadt die religiösen Zeremonien der Brahmanensöhne angeschaut. Jeden Abend zwischen 18h und 21h konnte man das bunte und sehr einnehmende Spektakel bestaunen. Die Atmosphäre zog uns total in ihren Bann. Alle Leute der Stadt schienen hier versammelt, um der Gottheit des Flusses, Ganga, ihre Opfergaben darzubringen. Das war Varanasi pur!
Die nächsten Tage verbrachten wir hauptsächlich mit Shoppen und Bummeln. In einem tollen Seidenlager erhielten wir wunderbare Rohseide nach langem und sturem Verhandeln zu einem Spott-Preis! Die Leute, denen wir unsere Beute zeigten und den gezahlten Preis sagten, starrten uns mit ungläubigen Augen an, nahmen ein Streichholz, um die Reinheit der Seide zu prüfen, guckten verwirrt, fragten wieder nach dem Preis und fragten uns, wo wir die Ware her hätten. Da wir das Gefühl hatten, mit der Seide könnte irgendetwas nicht ganz rein gelaufen sein, da sie offensichtlich 100% rein war, gaben wir die Adresse nicht raus, gingen aber am nächsten Tag noch mal hin und kauften für den gleichen Preis noch einmal ein. Andere Händler boten uns Geld an, damit wir für sie dort auch Seide kaufen mögen. Sie gingen alle davon aus, dass der Händler sehr wahrscheinlich dringend Geld bräuchte, da unser Preis, den wir gezahlt hatten, sogar unter den Herstellungskosten lag. Wir konnten uns das alles nicht richtig erklären, waren aber sehr zufrieden mit unserem Kauf. Aus schwarzer Seide ließen wir Daniel direkt vor Ort eine schöne Tunnelzughose schneidern, die super aussieht! Dann suchten wir für unsere Mütter auch noch jeweils ein Stück dunkelrote bzw. rost-oliv-farbene Rohseide aus, damit sie sich etwas daraus nähen lassen können. Ich habe mir ein großes Stück schwarze Seide einpacken lassen – was sonst!
Ansonsten machte es auch sehr viel Spaß, einfach durch die engen, bunten Gassen der Stadt zu bummeln und die alten Gebäude, die Tiere, die Handwerker, die heiligen Männer, Bettler, und so weiter und so fort zu bestaunen. Varanasi ist wohl das indischste, das wir in Indien gesehen haben!
Während unseres Varanasi-Aufenthalts erhielt Daniel auch die Note für seine Diplomarbeit – eine glatte und unglaubliche 1,0!!! Wir sind alle sehr stolz. Seine endgültige Diplomnote ist somit eine 1,4 um die ich ihn fast ein bisschen beneide… Auch seine Family – zu beiden Seiten – war unglaublich aufgeregt und sehr stolz, als wir mit ihnen am Telefon gesprochen haben – kein Wunder!
Am Abend dieses Tages stießen wir im hochheiligen und abstinenten Varanasi dann dennoch mit einem Bier auf diese tolle Ergebnis an, zusammen mit unserer Bekannten Simone aus San Franzisco, die wir in der Stadt kennenlernten – liebe Grüße!

Hannah

Nepal