2006/05/08

Bangkok (8.5.2006)


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Originally uploaded by schlagwein.

Schon am Flughafen Delhi hatten wir genügend Gelegenheit, uns an die bevorstehende Umgebung Südostasiens zu gewöhnen, checkten doch für den gleichen Thai-Airways-Flug nach Bangkok ca. 100 buddhistische Mönche vor unserer Nase ein… (Foto!)
Nachdem sich unser Flug um die in Indien offensichtlich üblichen 45 Minuten verspätet hatte, konnte es nun endlich losgehen! Zur Zeit unseres Abfluges hatte ich die Nase von Indien so was von gestrichen voll, dass ich es nun kaum mehr erwarten konnte, bald auf einer Luftmatratze im Inselparadies hin- und herzuschaukeln.
Als wir in Bangkok zur Landung ansetzten, erlebten wir zunächst einmal einen Kulturschock der etwas anderen Art: weit und breit waren keine Slums, kein Dreck, keine Kühe und auch keine anderen Katastrophen zu erblicken! Statt dessen gepflegte Strassen (man erinnere sich, wir kamen aus Indien), riesige Parkanlagen und ein makelloses Rollfeld. Verwirrt betraten wir das Flughafengebäude. Niemand bedrängte uns, in ein Taxi zu steigen, niemand zog an meinen Klamotten und keine Menschenseele interessierte sich dafür, in welchem Hotel wir absteigen würden. Es war erschütternd!
Auch vor dem Gebäude keine wartende Menschenmenge, keine seltsamen Gerüche, die auf Überbevölkerung hindeuteten und keinerlei Gefahr in Form von Tretminen. Fröhlich und höflich begrüßte uns die Dame am Ticketschalter für den Bus, der uns in die Innenstadt bringen sollte. Wir waren nun vollends misstrauisch. Pünktlich (!) erschien der mit einer Klimaanlage ausgestattete Bus und niemand fragte nach Trinkgeld oder behauptete, man müsse für jedes Gepäck einen Aufpreis zahlen.
Über einen gewaltigen Highway fuhren wir vorbei an futuristischen Hochhäusern und anderen gewaltigen Highways zur berüchtigten Khao San Road, dem Traveller-Treffpunkt der Welt und „Party Central“, wie unsere amerikanischen Mitreisenden sagen würden.
Völlig übermüdet machten wir uns auf die Suche nach einem preiswerten Guesthouse und wurden auf der gegenüberliegenden Seite der Khao San hinter dem Tempel fündig, zumindest für die ersten zwei Nächte.
Nachdem wir erst einmal richtig ausgeschlafen hatten, machten wir uns auf die Suche nach Essbarem und wurden auf der Khao San (wo soll es anders sein am ersten Tag?) schnell fündig. Nach einem Im-Stehen-Padthai und einem der berüchtigten Pancakes wären wir eigentlich perfekt fürs Shopping gewappnet gewesen, aber Daniel ermahnte mich mit bösem Blick: wir mussten stark auf unser Budget achten und hatten einen strengen Sparplan entworfen, dem nun auch ich zu folgen hatte. Wie ein Junkie lief ich in den nächsten Tagen an den tollen Klamottenläden vorbei. Dabei war doch alles sooo billig, eigentlich…
Jedoch muss ich zugeben, dass ich bereits am ersten Abend dann doch eine wunderschöne Halskette aus herrlich kitschigem Plastik abgestaubt hatte. Wir freundeten uns noch am ersten Abend mit den thailändischen Studis an, die ihre selbst gebastelten Schmuckstücke und T-Shirts auf der Strasse verkauften. Auf der Khao San trifft sich abends einfach alles: die Bangkoker Jugend, alle Touris von 5 bis 85, besoffene Engländer in Massen, Künstler, Musiker, Obstverkäufer, Marktverkäufer, Bar-Gänger aller Art, später die Prostituierten in Scharen und auch massenhaft Lady-Boys, die mindestens so einen atemberaubenden Hüftschwung drauf haben wie ihre Kolleginnen. Nach ein paar Bier in der Menge beschlossen wir, uns mit den Thais ins Bangkoker Nachtleben zu stürzen – auf ihre Art, auf Thai sozusagen. Sie stopften uns in ein Taxi und wir fuhren durch halb Bangkok (für umgerechnet 1 Euro) zu einer Art abendlichen Vergnügungspark mit mehreren Straßenrestaurants, ein paar Bars und einigen Großraumdiskotheken. Am Eingang einer dieser Diskos schallte uns der schlimmste Thaipop entgegen, zu dem die Hälfte aller dort Anwesenden mitzugrölen schien und eine Dame in kurzem Rock führte uns an „unseren Tisch“. Nix mit an der Bar anstehen und so! Von wegen! Für umgerechnet etwa 8 Euro schafften wir es, uns und auch unsere sechs Freunde völlig betrunken zu machen – wie machen die das? Man stellte uns direkt bei unserer Ankunft eine Flasche Thai-Whisky und ein paar Alibi-Colas auf den Tisch und los ging’s! Nach nur einer halben Stunde fanden Daniel und ich uns Arm in Arm mit den Thais wieder, Thai-Popsongs mitgrölend und nicht wirklich mehr Herr der Dinge. Am frühen Morgen schnappten wir uns alle ein Taxi und ließen uns zum Hotel zurück chauffieren. Nach ein paar Stunden Schlaf fühlten wir uns erstaunlich fit und hatten kaum einen hang-over zu beklagen… Am nächsten Tag packten wir unsere sieben Sachen und siedelten um in Donna’s Guesthouse, einer kleinen, aber feinen Pension auf der anderen Seite der Khao San (hinter Burger King). Hier war es sehr preiswert, sehr sauber und die Zimmer erschienen mit ihrem dunklen Holzboden weniger cheesy als alles andere, das wir gesehen hatten. Sehr zu empfehlen!!!
Den Rest des Tages verbrachten wir mit gutem Essen (Thai-Curry!!!) und einer langen Thai-Massage, die es gleich um die Ecke für 3,50 pro Std. gab – aahhhh!
Die nächsten Tage waren sehr schwül und wir mussten uns nach der trockenen Hitze Indiens tatsächlich erst einmal daran gewöhnen. Ich bin in den ersten Tagen in Bangkok wohl bestimmt viermal am Tag duschen gegangen – kein Scherz!
Wenn uns die Hitze und die Feuchtigkeit nicht umhaute, besuchten wir unter anderem den Tempel am Königspalast (Wat Phra Keow), den liegenden Buddha aus Gold im Wat Po (Wahnsinns-Wandmalereien!) und die Einkaufszentren am Siam Square, die wir mit einer Bootstour über die Klongs (Kanäle) erreichten. Ich hätte definitiv auf die letzten H&M-Einkäufe in Deutschland verzichten sollen! Ärger! Es war tatsächlich alles soo billig! Und nach fast drei Monaten in Öko-Klamotten-Indien war ich völlig ausgehungert, was Shopping angeht. Na ja, war wohl erst mal nur Gucken angesagt. Daniel hielt den Kostenplan immer sehr genau nach.
Im Großen und Ganzen kann man nicht behaupten, dass Bangkok eine besonders schöne Stadt ist. Sie verfügt außer der Tempel kaum über antike Bausubstanz und überall ragen die modernen Betontürme der durchschnittlichen asiatischen Stadt in die Höhe. Es gibt zudem kein richtiges Stadtzentrum, kein „Downtown“, wo man sich zum Kaffeetrinken oder dergleichen trifft wie in europäischen Städten. In der Nähe der Bahngleise und der Flüsse erstrecken sich gelegentlich einige Armenviertel mit eher notdürftig zusammengeschusterten Häusern, die aber nicht mal im Ansatz mit denen in Indien verglichen werden könnten. Bettler sieht man nur sehr wenige auf den Strassen und man hat das Gefühl, dass es in Thailand auch niemand so schlecht gehe, dass er auf der Strasse leben müsse. Das Leben findet hauptsächlich in den Strassen statt, was angesichts der hohen Luftverschmutzung Bangkoks (nicht zu vergleichen mit Delhi oder Kalkutta natürlich) eher fragwürdig erscheint. Trotz des Großstadt-Flairs wird auf der Strasse gekocht, gegrillt, gegessen, gelebt. Das Besondere für jeden Thailand-Reisenden wird wohl immer wieder die Art der Thais sein, dem Fremden in den meisten Fällen mit einem Lächeln oder einem Kompliment das Gefühl zu geben, er sei der begehrenswerteste Mensch auf Erden. Zwar mag der ein oder andere dies als oberflächlich bezeichnen (manchmal erlischt das Lächeln beim Abwenden und gefriert zu Stein, im Falle eines Nicht-Kaufs an einem der Straßenstände zum Beispiel), passt man sich jedoch diesen Gepflogenheiten an, wird man schnell feststellen, dass es sich auf diese Weise doch sehr viel leichter lebt und man die ein oder andere Schwierigkeit oder einen Konflikt auf diese Art und Weise besser meistern kann. Die Thais hassen laute Auseinandersetzungen und jede Form der Unhöflichkeit und so wird ein striktes „Nein“ doch hin und wieder mit einem verschmitzten Lächeln ausgedrückt. Wer es dann immer noch nicht begreift, ist es wirklich selber schuld!
Eine weitere angenehme Tatsache ist, dass die angegebenen Preise auf den Märkten, in den Läden und sogar in den großen Einkaufszentren nicht der Realität entsprechen und nur ein Dummer die gefragte Summe begleicht. Alles (!) ist Verhandlungssache und wenn man höflich, aber bestimmt (mit einem Lächeln und gerader Körperhaltung zum Beispiel…) bleibt, öffnen sich einige Türen, die zuvor mit Stahlseilen verriegelt waren. Im Schnitt kann man davon ausgehen, dass ein Drittel bis die Hälfte eines angegebenen Preises (besonders bei Tuk-Tuk-Fahrten) dem eigentlichen Kaufwert entspricht. Daniel ist ein faszinierender Händler und nach einigen Anfangsproblemen, die wohl auf Schüchternheit beruhten („…man kann doch nicht die armen Thais in den Ruin treiben…“), kann ich behaupten, in seine Fußstapfen getreten zu sein. Dennoch gilt: nicht unverschämt werden! Es bedarf einiges an Feingefühl, dem Gegenüber nicht auf die Füße zu treten. Fängt der Händler mit einem absurd hohen Preis an, kann man mit einem Augenzwinkern ebenfalls einen viel zu niedrigen Preis anbieten.
Nach einer Woche (man bleibt verflucht schnell kleben in dieser Stadt!) wollten wir nun doch endlich man los in den paradiesischen Süden des Landes und buchten – nach Indien völlig Party-ausgehungert – zwei Tickets per Bus und Boot auf die Insel Ko Pha-Ngan im thailändischen Golf.

Hannah