2006/06/29

Hanoi (29.6.2006)


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Originally uploaded by schlagwein.

Wie schon angedeutet, war unsere Reise von Phonsavan nach Hanoi nicht so einfach wie gehofft. An der vietnamesischen Grenze angekommen, was bereits eine mehrstündige Holperfahrt war, wurde schnell klar, dass der Grenzübergang zwar sozialistisch-pompös hochgezogen, aber wirklich SEHR unüblich war: kaum jemand benutzte ihn, schon gar keine Touristen. Da gerade der Zoll Mittag machte, saßen wir erstmal eineinhalb Stunden fest, bevor wir dann auseinander genommen wurden. "No, no drugs - An-Ti-Ba-By-Pills!...'). Als wir Klassenfeinde uns dann als doch nicht so feindlich bewiesen hatten, konnte uns der Zöllner aber dann auch schnell ein Taxi rufen (auf der anderen Seite gab es nicht mal einen Örtchen, von Hanoi-Bussen nicht zu träumen). Um den Preis nicht in die Höhe zu treiben, baten wir zunächst nur um ein Taxi zur nächsten Stadt. Außer Schmiergeld-Hörweite handelten wir mit dem Fahrer dann aber aus, uns noch erheblich weiter zu fahren. Hanoi wollte er beim besten Willen nicht (600km)... also blieb uns nur die nächst liegende Großstadt an der Küste: Vinh - der Ort um den wir eigentlich herum kommen wollten (macht von der Strecke her einfach keinen Sinn, aber es geht wohl nicht anders, in Vietnam geht offenbar alles über den Küstenhighway 1A). Im Endeffekt waren wir dann einfach nur teurer und später dann doch in Vinh und mussten zudem Israel um Geld anpumpen, da kollektiv alle vier ATMs in Vinh ihren Dienst verweigerten... Naja, immerhin putzte in der Nacht Portugal Holland aus dem Rennen - ein kleiner Tost.
Am nächsten Tag, ausgeschlafen (vietnamesische Hotels sind in der Regel sehr gut!), gefrühstückt (vietnamesischer Kaffee ist ebenfalls gut!) und mit frischem Geld auch ohne ATM (VISA macht das Leben leichter!) sah Vietnam schon wieder erheblich freundlicher aus. Wir vier nahmen einen Zug am späten Vormittag nach Hanoi. Sowohl in der Stadt als auch in der Bahn wurden wir mehrfach von Studentinnen angesprochen, die über die ungewohnten Touristen erfreut direkt mal ihr wenig Praxis-erprobtes Englisch austesten und ein wenig über unser Leben ("get information about your home country") erfahren wollten! Nach dem sie anfänglich vor Aufregung zitterten, beruhigten sie sich dann bald, als sie feststellten, dass wir nicht nur "friendly looking foreigners" waren, sondern uns auch wirklich gerne mit ihnen unterhielten. Das war teilweise sehr unterhaltsam: zum Beispiel erfuhren wir, warum sehr viele Frauen in Vietnam mit Atemmaske oder Gesichtstuch auf der Strasse zu sehen sind: weiße Haut ist ein must im Schönheitswettkampf und so wird versucht, jeden Anflug von Teint zu verhindern. Das zwar in ganz Indochina tendenziell auch so, aber nirgendwo ist es mir so stark aufgefallen, wie in Vietnam (zum Beispiel stürmen die Vietnamesen den Strand sobald Wolken aufziehen, kommt die Sonne raus, flüchten sie aus dem Wasser!!). Aber ihr könnt mir glauben, sie war noch erheblich perplexer, dass es bei uns anders ist! Erstaunlich auch für uns, das keine von den Studentinnen wusste, dass Deutschland auch mal geteilt war (?!). Umgekehrt hoffe ich, dass meine Leser aber Süd- und Nordvietnam Bescheid wissen und die Antwort auf meine Fragen, was sie von den Südvietnamesen und der dortigen Entwicklung (wirtschaftlicher Aufschwung trotz Repressionen durch den Norden) halten würden, einschätzen können: "in the north we have a saying: the south is economically blessed, the north ist politically blessed". Richtig gelernt, Genossin! ;) Ohje...
In Hanoi angekommen entschieden wir uns dafür, in der Altstadt, nördlich des Sees eine Unterkunft zu suchen. Nachdem ich vorher kein rechtes Bild von Hanoi hatte, wurde schnell klar: ist sehr schön und gemütlich! Der französische Kolonial-Charme und die Alleen voller Bäume setzen sich klar gegen die kommunistische Einheitsarchitektur durch. Auf den Strassen wird kreuz und quer gefahren (ich schätze auf einen Einwohner kommen etwa 3 Mopeds) - aber es ist alles noch leicht zu handhaben. Nachdem wir in einem kleinen französischen Cafe Zwischenposition bezogen hatten, checkten wir schließlich in einem relativ noblen Hotel ein, dass uns aber mit 10 Dollar pro Nacht noch an der Grenze des Machbaren erschien.
In den nächsten beiden Tagen erkundetem wir die Stadt, die One Pillar Pagode - beziehungsweise deren Nachbau. Die Franzosen haben das jahrhundertealte Original aus purer Missgunst beim erzwungenen Abzug aus Vietnam noch schnell am letzten Tag zerstört (merde!). Die Hauptattraktion Hanois, den einbalsamierten Ho Chi Minh ersparten wir uns... (der gute Mann wollte ausdrücklich niemals so zur Schau gestellt werden, Herrgott, wozu gibt es denn einen letzten Willen? ;)) Dagegen unterzog ich (liebe MPAA: Schande über mich, aber ich bin halt ein armer Filmfan im Banne der Versuchung...) die Piraterie-DVDs (nur 1 Dollar pro DVD!) einer genaueren Untersuchung. Ansonsten verbrachten wir einen Nachmittag in der Ruhe des "Tempel of Literature" (siehe Fotos).
Nachdem wir schnell herausgefunden hatten, dass Vietnam keineswegs teuerer ist als der Rest Südostasiens - nur eben kollektiver den Touristen ein falscher Preis genannt wird... (ca. 2,5- bis 5-mal mehr als normal und vor allem auch in gänzlich untouristischen Ort) entwickelten wir eine ausgeprägte Unlust dagegen, uns von den Vietnamesen abzocken zu lassen. In Thailand und Laos habe wie unser Geld lieber gelassen und zahlten auch gerne eine angemessenen West-Aufschlag... aber es ist einfach unverschämt, wenn jemand, der eh schon der 3fachen Preis im Guten bekommt, dann trotzdem das Wechselgeld nicht ausrücken will! Diesbezüglich hatten Hannah bei einem Cyclo-Fahrer und ich bei einem Baguette-Stand dezente Ausflipper. Sorry Leute, so echt nicht, jedenfalls nicht mit uns. Auch hatten wir in Hanoi unseren ersten Diebstahl-Versuch. Ein Mädel hinten auf einem Moped sitzend versucht Hannah die Umhängetasche abzunehmen, was in Hanoi und Saigon wohl häufiger vorkommt. Das ging aber ziemlich in die Hose: Hannah hielt fest und fast wäre unsere Trickdiebin herunter gefallen!
Trotzdem hatten wir ein gute Zeit in Hanoi und fühlten uns wohl. Nachdem uns alle Langzeit-Vietnam-Reisenden dringend zu einem Besuch in Sapa geraten hatten, entschlossen wir uns, vor der Reise nach Süden (und damit langsam nach Bangkok zurück) noch eine Zwischenstation in den Bergen einzulegen. Der zu diesem Zweck gebuchte "soft sleeper" erwiese sich als äußerst gemütlicher Schlafwagen (richtiges Bett, Klimaanlage...) - kein Vergleich zu den indischen Pritschen und den "Liege"sitzen in den Übernachtbussen.

Daniel