2006/07/02

Sapa (2.7.2006)


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Originally uploaded by schlagwein.

Da wir in Thailand und in Laos nie wirklich den Drang verspuerten, eine der zahlreich angebotenen Touren zu den Bergvoelkern zu unternehmen – uns erschien dies irgendwie zu touristisch und wenig authentisch – hatten wir in Vietnam das Gefuehl, ohnehin nicht drum herum zu kommen, wenn wir nicht die ganze Zeit in den grossen Staedten hocken wollten. Ausserdem hoerten wir immer wieder, wie schoen das kleine Staedtchen Spa am Fusse der Hoang Lien Son Bergkette, die die Grenze zu China bildet, sein sollte. Also buchten wir ein Bahnticket von Hanoi nach Lao Cai, der naechsten Bahnanbindung. In Vietnam ist es nicht besonders einfach, an diese Tickets zu gelangen. Erstens war es beinahe Wochenende und die Vietnamesen der Oberschicht (dass es so etwas in einem kommunistischen Staat ueberhaupt gibt!) fahren dann gerne in groesseren Truppen in die Berge und trinken dort ebenfalls groessere Mengen Alkohol, zweitens sind nur wenigfe Mitarbeiter der staatlichen Bahn bereit, einem Westler ohne weiteres ein Bahnticket auszuhaendigen. Nach mehreren Anlaeufen und einigem Handgemenge am Schalter (als Frau wird man von den Maennern einfach zur Seite geschoben und alle draengeln sich wie kleine Kinder vor und schubsen und setzen die Ellboegen ein – der reine Wahnsinn!) hatten wir dann letztendlich zwei Tickets fuer den Nachtzug, der sich tatsaechlich als unerwartet gemuetlich entpuppte.
Nachts konnte ich jedoch leider kein Auge zutun, da sich die Bahn mit unglaublichen 25km/h die Berge hinauf muehte und dabei die unglaublichsten Laute von sich gab. Ab und zu ruckte es fuerchterlich und ich fiel – fast wie in Indien – beinahe aus dem Bett. Aber in den sehr fruehen Morgenstunden schienen wir unserem Ziel schliesslich naeher zu kommen. Mit einem heftigen Haemmern wurde ich aus den wenigen verzweifelten Minuten Schlaf geholt, die mir der Einsatz von Ohrstoepseln erbrachte. Mit aller Muehe versuchte ich, das immer heftiger werdende Getrommel gegen die Kabinentuer zu ignorieren. Als das Geklopfe jedoch gar nicht mehr abbrach, oeffnete ich verschlafen die Tuer und ein schlitzaeugiges Grinsen fragte mich morgens um halb sechs “Ye like hev coffiii?” Wenn die Vietnamesen irgendwo Geld schnueffeln, dann gehen sie echt ueber Leichen. Bitter, aber in jeder Form von Wahrheit zutreffend, sorry! Es dauerte noch eine Stunde bis wir wirklich in Lao Cai ankamen und auch dort versuchte man als erstes, uns den doppelten Fahrpreis nach Sapa abzuknuepfen – es nahm kein Ende.
Voellig fertig und entnervt kamen wir bei fiesem, kalten Nieselregen in dem Oertchen Sapa an. Da die Wolken aeusserst tief hingen, konnte ich nicht wirklich sagen, ob es schoen war. Trotz der fruehen Morgenstunden standen die ebenfalls fleissig grinsenden Figuren des Dorfes alle schon auf der Matte und jeder einzelne versuchte, die ankommenden Touris fuer sich und sein Hotel zu gewinnen . Wir schauten uns einige Zimmer an, aber die meisten waren eher wenig einladend. Ausserdem brauchten wir beide dringend einen Kaffee. Also gingen wir erst einmal in ein wunderbar franzoesisches Café um die Ecke mit dem verheissungsvollen Namen “Baguette et Chocolat” und nahmen ein imposantes farnzoesisches Fruehstueck mit dem weltbesten Milchkaffee und tollen Chroissants zu uns – Danke, Frankreich! Daniel machte sich auf den Weg, noch ein bis zwei Hotels anzuschauen – er ist, was die Zimmersuche angeht, ja immer hochmotiviert, um den besten Deal raus zu schlagen  - waehrend ich die aeusserst anstrengende Aufgabe uebernahm, noch einen Kaffee zu trinken und auf die Backpacks aufzupassen.
Als wir in einem der Hotels eingecheckt und alle nach Schimmel stinkenden Kissen gegen andere eingetauscht hatten, setzte der Regen ein. Wir entschieden uns, die Berge Berge sein zu lassen und erst einmal ein bisschen zu schlafen und ein para Filme zu gucken.
Als wir aufwachten, regnete es immer noch, also gingen wir in einem der hell von Neonroehren erleuchteten Restaurants eine Kleinigkeit essen, um danach festzustellen, dass es noch immer regnete.
Auch am naechsten Morgen erwachten wir bei stroemenden Regen. Also machten wir uns schnell auf den Weg ins warme “Baguette et Chocolat”, wo wir den gesamten Tag damit verbrachten, Texte fuer unsere Website und Briefe an unsere Lieben zu schreiben. Ich fand es super-gemuetlich und , ehrlich gesagt. Ich habe nichts vermisst.  Draussen tummelten sich die in schwarz gekleidete Frauen der Black Hmong, einem in Suedostasien weit verbreiteten Bergvolk (Thailand, Laos, Vietnam, China), die mit viel Raffinesse versuchten, uns entweder selbstgemachte Ketten, silberne Ohrhaenger oder eben einfach selbst angebautes Wheed oder Opium zu verkaufen. Es gibt keine Moeglichkeit, diese ehrgeizigen, aber aeusserst knuffigen Menschlein (ca. 1,40-1,55m gross) los zu werden. Selbst, als wir im Café sassen, standen sie vor den Fensterscheiben und machten grosse Augen und zogen ihre Grimassen, aber irgendwie gingen sie mir nur selten auf die Nerven. Man kann sie als aeusserst tuechtig und sehr laid-back beschreiben. Sie haben bestimmt kein leichtes Leben in ihren kleinen Huetten in den Bergen und eine Omi mit einem Koerpergewicht von vielleicht 45 Kilo ist in der Lage, einen 60kg schweren Korb voller Fruechte oder Gemuese (oder was auch immer) die Berge stundenlang hoch und runter zu tragen. Das fand ich sehr beeindruckend! Zur Staerkung kauften wir den Omis vor der Tuer zwei kleine Zitronentoertchen von “Baguette et Chocolat”, die vermutlich ein Tageseinkommen ihrer Deals wert waren. Immer wieder wir einem in Vietnam gesagt, man solle die Leute aus den Bergen nicht mit auslaendischem Kram verwoehnen und ihnen kein Geld schenken, aber sie haben sich doch soo gefreut! Die Kuechlein waren ratzfatz wegehe jemand ueberhaupt was davon mitbekommen hat!
Auch der naechste Tag brachte nicht viel Neues. Im Café wurden sie mit jeder Bestellung freundlicher zu uns und langsam begannen wir, uns ein wenig heimisch zu fuehlen als wir erschrocken nach draussen starten. Das Unerwartete war gekommen und – wir waren uns nicht ganz sicher – man konnte mehr oder weniger deutlich dunkle Umrisse und Schatten am Himmel erkennen, die sich langsam zu einem richtigen Bild zusammenfuegten und , als der Nebel vollkommen verschwand, endlich Sinn machten. Vor uns lagen die hohen Berge und das tiefe Tal, von dem die ganze Zeit die Rede gewesen war. Bisher waren wir uns gar nicht bewusst, dass wir uns an einem wunderbar hohem Hang mit vollem Blick auf die gegenueberliegenden Bergketten wohnten! Schnell hielt Daniel draussen einen vorbeifahrenden Tourbus an und machte mit dem Fahrer, der lediglich den Bus ins Dorf zurueckbringen wollte, einen kleinen Nebenverdienst aus: bei Sonnenschein fuhren wir ueber die naheliegenden Huegel, die wir nun zum ersten Mal sahen zu einem 150m hohem Wasserfall, an dem man von beiden Seiten hinaufklettern konnte. Unser Fahrer brachte uns auch zu einem nahe gelegenen Pass, von dem man einen tollen Ausblick in die bereits chinesische Berglandschaft auf der anderen Seite der Berge hatte. Rein visuell waren wir also auch schon in China, wenn man so will.
Nach ca. 2 Stunden zog sich der Himmel wieder zu und kaum hatte unser Fahrer uns vor der Tuer des “Baguette et Chocolat” abgesetzt, nieselten die ersten Tropfen wieder auf uns herab. Am naechsten Morgen buchten wir unser Ticket zurueck nach Hanoi, wo wir mit starhlendem Sonnenschein und kaum auszuhaltener Schwuele (ich duschte bis zu fuenfmal am Tag) begruesst wurden. Das Klima in Vietnam ist wirklich nicht das einfachste!

Hannah