2006/03/09

Backwaters (9.3.2006)


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Originally uploaded by schlagwein.

Aufgrund meines kleinen Zahn-Unglücks mussten wir das traumhafte Hampi leider recht schnell wieder verlassen und unsere Reisepläne für den Süden kurzfristig ein bisschen ändern. Zunächst war eigentlich ein weiterer Strandaufenthalt in Gokarna (ebenfalls im Bundesstaat Karnataka) geplant. Dieser Ort ist zugleich ein beliebter Pilgerort.
Hier wollten wir uns noch für ein paar Tage dem Strandleben und dem Nichtstun hingeben bevor unsere Route uns wieder zurück auf unsere „Kultur-Strecke“ im Norden führen sollte. Letztendlich kam jedoch alles anders.
Um einen guten Zahnarzt zu finden – mein kleines Zahnproblem entpuppte sich als überhaupt gar nicht so klein – war es am besten, direkt einen modernen Ort im reichen Staat Kerala aufzusuchen und unsere Wahl fiel auf Kochin, da dies laut Reiseführer zumindest noch ein bisschen kulturelles Rahmenprogramm aufwies. Die auf einer Insel vorgelagerte Altstadt „Fort Kochin“ entpuppte sich zwar als Dreh- und Angelpunkt aller Nord-Süd-Reisenden, war jedoch dennoch nicht überstrapaziert touristisch und trotz meiner ohnehin schon angespannten Nervenlage nicht völlig schlimm, obwohl ich glaube, Daniel mit meiner Laune schon das eine oder andere Mal bis an die Grenzen gereizt zu haben… Nachdem wir im „Park Avenue“ eingezogen waren – keine Angst, so pompös war lediglich der Name und Inder haben eine Schwäche dafür, ihre Restaurants und Hotels nach mondänen Orten zu benennen, an denen sie noch nie gewesen sind, weshalb es ihnen auch keineswegs lächerlich erscheinen kann – machten wir uns auf die Suche nach einem Zahnarzt. Meine Angespanntheit ließ uns keine große Wahl und somit wollte ich mein Glück mit dem vom Hotel empfohlenen Dr. Daniel versuchen und die Sache so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
Leute, stellt Euch einen Zahnarztbesuch in Indien nicht wie zuhause im guten Deutschland vor. Nach Feststellen der Sachlage lag es an Daniel und mir, über den Preis meiner Krone, die mir eingebaut werden sollte, zu verhandeln. Ein Viehmarkt ist nichts dagegen und Dr. Daniel machte sich zunächst nicht besonders beliebt, erwies er sich doch trotz immer wieder in Szene gestellter Pseudo-Westlichkeit definitiv als Inder. Dass er und keinen Tee angeboten hat, um den Preis noch ein bisschen in die Höhe zu treiben, hat mich gewundert.
Letztendlich waren wir dann mit 5000 Rupien dabei – ca. 100 Euro für eine massive Vollkeramik-Krone, handgemeißelt in einem natürlich „best quality“-Labor! Natürlich für das Mädchen nur das Beste… Soweit so gut. Erst während der Behandlung wünschte ich mich sehr in die Obhut meines lieben Zahnarztes Herrn Pätzold in Köln zurück! Aber letztendlich ist die Krone drin und da bleibt sie nach fünf Zahnarztbesuchen hoffentlich auch ne Weile. Die Zeit zwischen den öden Behandlungen versüßten wir uns im wahrsten Sinne des Wortes mit super-leckerem West-Kuchen im „Kashi Art-Café“ – eine Oase für alle, die der Indien-Realität für eine kurze Zeit entfliehen wollen (Fotos!).
Zwischendurch hatte ich Geburtstag.
Um die Zeit mit Watte im Mund so angenehm wie möglich zu gestalten, fuhren wir mit dem Bus nach Allepuzah, ca. 80km weiter südlich, das bekannt ist für seine traumhaften Backwaters. Tropischer geht’s nimmer! Die Landschaft ist gesäumt von Kanälen und Bananenplantagen soweit das Auge reicht! Tagsüber ist die Luft derart schwül und drückend, dass man denkt, den in ein paar Wochen einsetzenden Monsum schon spüren zu können. Einen kleinen Vorgeschmack erhielten wir eines Abends beim Abendessen. Auf dem Weg von unserem Zimmer bis unter eine Gartenlaube verlor Daniel in den Wassermassen seinen Schuh, der erst Stunden später mit Rückgang der Wassermassen an einem völlig anderen Ort wieder aufgefunden werden konnte!
Am Tag vor meinem Geburtstag mieteten wir zusammen mit einem Pärchen aus New York, die wir im Guesthouse kennengelernt hatten, ein Hausboot, auf dem wir übernachten wollten. Auf den Fotos könnt Ihr Euch am Luxus dieses Gefährts ergötzen: hinter dem Captain befand sich vorne auf dem Bug des Boots eine große Matraze, auf der wir uns in der Sonne aalten. Daran schloss ein überdachter Wohn- und Essbereich an, an dem uns Mittagessen, Abendessen und am nächsten Morgen auch ein Frühstück serviert wurde (das allerdings ein bisschen mager ausfiel für den verwöhnten europäischen Geschmack, na ja…). Dahinter befanden sich drei wunderschöne Schlafräume mit jeweils eigenem Badezimmer. Zum Sonnenuntergang ankerten wir in einem abgeschiedenen Bereich der Kanäle, von wo aus ich diese tollen Schnappschüsse machen konnte. Nach dem Abendessen entschieden Daniel und ich uns, die Nacht draußen auf dem Bug des Boots zu verbringen. Gut versorgt mit Anti-Moskito-Creme, Anti-Moskito-Räucherspiralen und einer dünnen Decke konnten wir ein tolles Schauspiel am Himmel beobachten: auf der einen Seite des Himmels bot sich uns die ganze Nacht ein etwas entferntes Gewitter, während wir auf der anderen Seite viele, viele Sternschnuppen bewundern konnten. Okay, für alle Nicht-Pärchen ist das jetzt vielleicht alles ein bisschen zu rosa, aber schön war es trotzdem. Da ja mein Geburtstag vor der Tür stand, wusste ich, dass Daniel mit den Kellnern irgendeinen Deal hatte, gab es doch ständig was zu flüstern und zu tuscheln… Schon beim Abendessen stellte sich heraus, dass er versucht hatte, mir eine Flasche heiß begehrten Weißwein zu organisieren. Die Kellner versicherten ihm, ihn besorgen zu können und kamen zurück mit einer Flasche Rotwein, die ungefähr einem portugiesischen Portwein entspricht. In Indien trinkt man halt keinen Alkohol und wenn, dann sicher keinen Weißwein! Und ich glaube, den Jungs hier ist der Unterschied auch nicht so sehr bewusst – macht doch alles breit!???
Nun gut, Portwein war auch nicht verkehrt und nach Wochen ohne Alkohol erzielte er recht schnell seine Wirkung…
Kurz vor zwölf verschwand Daniel dann wieder und stand plötzlich mit einem viereckigen, höchst kitschigen Geburtstagskuchen vor mir! Daneben lag auf einem Tablett eine Kokosnuss mit einem roten Geschenkband. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was mich erwartete, da wir eigentlich ausgemacht hatten, uns aus Rücksicht auf unser Reisebudget nichts zu schenken. Als ich die Nuss öffnete, befand sich darin ein Fluggutschein für zwei Personen auf die Andamanen!!! Ich konnte es kaum glauben. Viele Leute hatten uns bereits erzählt, dass diese Inseln im Indischen Ozean, die geographisch gesehen definitiv schon zu SO-Asien zählten, absolut traumhaft sein sollten. Da ich in den Tagen zuvor wirklich sehr von Indien und allem Terror, der sich ereignet hatte, genervt war, hatte Daniel heimlich die Tickets an die Traumstrände gebucht und ich war ihm sehr, sehr dankbar. Mein Nervenkostüm hatte sich nämlich seit meinem super-harten Semester, unserem Umzug und unserer Abreise noch nicht wirklich regeneriert und ich hatte es satt, ständig als exotisches Blondie stundenlang angestarrt und angelabert zu werden, zumal ich körperlich nicht in bester Verfassung war.
Jedenfalls war ihm diese Überraschung mehr als gelungen!
Am nächsten Tag fuhren wir mit einem kleinen Umweg zurück nach Kochin, wo ich endlich meine letzte Zahnbehandlung erhielt. Danach nahmen wir den Bus nach Erlakunam, der Stadtteil auf dem Festland, von wo aus wir nach Munnar weiterfahren wollten.

Hannah