2006/04/23

Jaisalmer (Golden City) (23.4.2006)


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Originally uploaded by schlagwein.
Im Zug nach Jaisalmer lernten wir eine Menge Inder kennen, unter anderem ein munteres Mädchen aus einer Familie, die halb in Gujarat und halb in Jaisalmer lebt… Sie fragte uns nach dem Leben im Westen aus und war vor allem an spannenden Themen wie „boy/girl friends“ und „love marriages“ interessiert. Sie nahm uns mit zum Rest der Familie, die gerade für einen der Söhne seine Braut aus „UP“ (Uttar Pradesh, die Region um Delhi, ohne Delhi selbst) abgeholt hatten und zur Hochzeitsfeier nach Jaisalmer zurückfuhren. Natürlich handelte es sich um eine „arranged marriage“: die beiden kannten sich vor der Hochzeit nicht. Erwartungsgemäß kann so was ja nach hinten losgehen: auf jeden Fall hatte sie nicht gerade einen Schönling erwischt. Unsere kleine Freundin betonte, dass für sie nur eine Liebesheirat in Frage komme – das müsse sie nur noch bei ihren Eltern durchsetzen. Viel Glück dabei! Die Familie war überraus interessiert und lud uns zur Hochzeitsfeier ein (wir konnten aber wegen unseres arg gerafften Reise-Zeitplans nicht so lange in Jaisalmer bleiben).
Jaisalmer ist eine kleine aber jahrhundertealte und traumhafte Festungsstadt in der Wüste. Schon auf dem Weg dahin begegnet man unzähligen Kamelen, die hier noch das bevorzugte Transportmittel sind. Wenn sich schließlich Jaisalmer Fort vor dem Himmel abzeichnet, fühlt man sich in ein orientalisches Märchen versetzt. Das Fort ist das einzige in Indien, das noch komplett bewohnt ist und damit eine Art lebenden Museums darstellt. Wir zogen in das kleine, aber wunderschöne Hotel Killa Bahwan ein, das in einem der Wachtürme über den drei Toren untergebracht ist.
Abgesehen von Fort selbst sind in Jaisalmer vor allem der Palast, die Jain-Tempel (die Jains sind eine weit verteilte religiöse Minderheit in Indien) und die alten Havelis in der Altstadt sehenswert. Die Havelis, vor allem durch ihre mit Steinmetzarbeiten, die fast wie Holzschnitzereien aussehen, bekannt, sind die sehr repräsentativne Häuser der reichen Kaufmänner aus der Kriegerkaste der Rajputen (Rajasthan = Land der Rajputen). Die Havelis sind überaus schöne Gebäude und einige der besten davon sind in der Altstadt von Jaisalmer verteilt. Wir waren schwer beeindruckt. Hannah musste leider auf die schmerzhafte Art feststellen, dass allerdings auch in den pompösen Häusern die Türhöhe nicht gerade besonders hoch ist: sie knockte sich kurzzeitig an einem der Durchgänge selbst aus.
Beliebte Touristenattraktionen außerhalb von Jaisalmer sind die Sanddünen der Wüste als Sonnenuntergangsort und natürlich die Kamel-Safaris aller Art. Wir kombinierten beides und ritten auf Kamelen zu den Sanddünen ca. 30 Kilometer vor Jaisalmer. Auch wenn die „hot season“ als no-go für Rajasthan gilt: es ist zwar wirklich sehr heiß – aber wenigstens begegnet man dann in der „einsamen“ Wüste nicht andauernd anderen Touristen. So waren wir mit unseren beiden Kameltreibern und unseren Dromedar-Wüstenschiffen „Rocket“ und „Michael Jackson“ (irgendwie waren die Namen ethnologisch gesehen nicht ganz befriedigend, aber…) dann zumindest bis zu den Sanddünen alleine. Dort wurden aber dann Horden von indischen Touristen mit Jeeps hingekarrt, die dann auch alle in den Genuß eines Kamelritts kamen (vom Parkplatz bis auf die Düne rauf)… Naja, ein einsamer Sonnenuntergang war es nicht, aber trotzdem schön.
In Jaisalmer wären wir gerne noch länger geblieben – aber unser Zeitplan drängte uns weiter.
Nachdem unsere Riskshaw auf dem Weg zum Bahnhof zum großen Kummer unseres Fahrers ihr 2-Tackter-Leben aushauchte erreichten wir dennoch noch rechtzeitig den Nachtzug nach Jodhpur. Leider machte der Zug etliche Zwischenstopps und war mit ziemlich angeheiterten Sikhs bevölkert, so dass wir in den sowieso knapp bemessenen 6 Stunden nicht wirklich viel Schlaf fanden. Hannah bat den Schaffner (hier TC = Ticket Collector), doch noch eine Extrarunde einzulegen… Merken: in Indien immer mindestens 10 Stunden Zug am Stück fahren.

Daniel