2006/07/07

Tam Coc (7.7.2006)


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Originally uploaded by schlagwein.

Eigentlich sassen wir schon im Bus auf dem Weg nach Hoy An.
Dann aber kam alles sehr ploetzlich und ueberraschend anders.
Daniel hatte angesichts der langen Reisedauer, wir solllten etwa 20 Stunden nonstop im Bus sitzen, eine ganze Palette von Schlaftabletten besorgt. Auf diese Weise wuerde die Fahrt schnell vorueber gehen, dachten wir.
Daniel ist bei solchen Dingen nicht pingelig und hat direkt mal zwei dieser Tabletten geschluckt, waehrend ich mich ein bisschen zierte und nur eine halbe davon nahm. Nachdem wir uns einen recht bequemen Platz im Bus erkaempft hatten, schlief Daniel auch schon nach nur wenigen Minuten komatoes und liess immer wieder seinen Oberkoerper auf meinen fallen. Ich war eine ganze Zeit damit beschaeftigt, ihn in eine halbwegs stabile Schlafposition zu manoevrieren und wartete danach auf die Muedigkeit.
Nach einer weiteren halben Stunde Fahrt wurde mir auf einmal unheimlich schwindelig, weitere fuenf Minuten brachten Uebelkeit und und fiese Kopfschmerzen und nach weiteren wenigen Minuten bekam ich derartige Panikzustaende und Halluzinationen, die einfach nicht mehr zu ignorieren waren. Ich versuchte, ruhig zu bleiben und tief durchzuatmen, aber es half nichts – ich musste einfach aus diesem Bus raus oder ich wuerde durchdrehen! So etwas hatte ich noch nie erlebt und ich wusste mir nicht zu helfen als Daniel aus seinem Koma zu holen. Leichter gedacht als getan. Erst nach langer Zeit des Schuettelns und Rufens (Gott, war mir schlecht!) hisste er seinen mueden Blick auf Halbmast, der Arme, als ich versuchte, ihm zu erklaeren, was Sache war. Zunaechst verstand er aufgrund dieser bloeden Schlaftabletten ueberhaupt nichts, aber nach einiger Zeit des Erklaerens machte er dem Fahrer irgendwie verstaendlich, er moege doch am naechsten Hotel halten. Wir packten unsere sieben Sachen und standen mitten in der Nacht mitten in der Prarie an einer unbeleuchteten Strasse. Auf der gegenueberliegenden Seite der Strasse machte ein kaum leserliches Schild auf ein Hotel aufmerksam, das ebenso auch eine Autowerkstatt haette sein koennen. Als man uns die Tuer oeffnete, war die einzige Begruessung “200 000 Dong” (vietnamesische Waehrung). Daniel versuchte mit Haenden und Fuessen zu erklaeren, dass es mir nicht besonders gut ginge ( was auch ohne viel Erklaerung ziemlich deutlich war – ich hing naemlich draussen vor der Tuer ueberm Bordstein...) und dass er mich gerne sofort ins Zimmer bringen wuerde. Davon wollte die Familie jedoch nichts wissen: erst Geld, dann Zimmer! Der Preis war die reine Unverschaemtheit. Als ich den Raum betrat, fiel ich nur aufs Bett und krallte mich am Bettzeug fest – alles drehte sich – Ueberdosis der etwas anderen Art. Inzwischen war wohl klar, dass ich das Schlafmittel nicht vertragen hatte, dennoch tat es nach einer Stunde Karussellfahrt endlich das, was es eigentlich tun sollte: ich wurde muede. Daniel schaute sich im Zimmer um und fragte mich nach einiger Zeit, ob ich es nicht irgendwie seltsam faende, dass halbnackte Frauen in Reizwaesche an den Waenden hingen und direkt an unserem Bett ein 2x2m grosser Spiegel angebracht war. Ich fand diesen Raum ohnehin schon eklig genug (es roch verdaechtig ungeputzt und im Bad lagen ueberall kleine schwarze Haare auf dem Boden) und wollte ueber die naeheren Umstaende nicht weiternachdenken als ein lautes Gegroele vom Gang in unser Zimmer drang. Danach folgte ein eindeutiges Gegiggel mehrerer vietnamesischer Maedchen. Ich hatte echt genug und schlief zum Glueck bald ein.
Am naechsten Morgen wachten wir ziemlich frueh auf und packten so schnell wie moeglich unsere Sachen. Als wir im Morgenlicht unten an der “Rezeption” standen, sah ich daneben ein grosses Schild: “1h = 80.000 Dong, 2h = 160.000 Dong...”
Na schoen, zumindest hatten wir es nun schwarz auf weiss. Meine erste Nacht in einem Stundenhotel hatte ich mir allerdings immer ein bisschen anders vorgestellt.
An der Strasse hielten wir einen Bus an und fuhren zurueck zur naechsten Stadt, wo wir wieder auf unseren Open-Tour-Bus aufspringen konnten – dieses Mal ohne Schlaftabletten. In einem Hotel buchten wir zwei Plaetze und ueberlegten nun, wie wir den Tag bis zum spaeten Abend rumkriegen koennten. Der Hotelbesitzer sprach seltsamer Weise gutes Deutsch (er hatte wohl zu Zeiten des Kalten Krieges in der DDR gearbeitet) und empfahl uns eine Fahrt nach Tam Coc. Natuerlich konnte er diese Fahrt auch schnellstens organisieren. Fuer 5 Dollar fuheren wir jeweils auf dem Ruecksitz eines Motortaxis (Moped mit Fahrer) die Strasse hinunter. Keine Ahnung, was uns erwartete!
Unsere Fahrer waren richtig nette Jungs vom Dorf und froh, sich was dazu verdienen zu koennen (Durchschnittslohn in Vietnam etwa 1-2 Dollar pro Tag!).
Sie lieferten uns an einer Art Hafen ab, wo wir mit einem Boot in die Reisfelder gepaddelt wurden. Nach den ersten Biegungen des Flusses erkannten wir unglaublich schoene Felsformationen, die aus den Reisfeldern empor wuchsen. Mit einem Schlag befanden wir uns mitten in der idyllischsten Landschaft, die man sich vorstellen kann (Fotos unbedingt ansehen!). Ganz im vietnamesischen Stil trugen unsere Fahrerinnen Reishuete auf ihren Koepfen und an den Ufern sah man immer wieder die arbeitetende Bevoelkerung, die fuer tolle Fotos standhalten musste (sorry!). Leider waren die Boot-Maedels nicht mehr so freundlich, als wir ihnen keine bestickten Deckchen und Kinder-T-Shirts abkaufen wollten. Wir fuhren durch mehrere lange, dunklen Hoehlen und als wir am Ende der Tour auch keine Getraenke oder Kekse an einem im Wasser treibenden Kiosk (ein voll bepacktes Boot mit Coca Cola und Pringles – es lebe der amerikanische Traum mitten im Kommunismus!) kaufen wollten, wurden sie richtig pampig. Nunja, inzwischen waren wir Helden im Ignorieren. Unsere Jungs mit den Mopeds jedoch waren immer noch sehr freundlich und fuhren uns zu einem auf einer Anhoehe gelegenen, wunderschoen altem Tempel aus dem 17. Jh. Dort machten wir eine kleine Krakseltour auf den Berg und teilten mit einem kleinen vietnamesischen Bettelmaedchen unsere Rambutan-Fruechte.
Anschliessend fuhren wir noch eine laengere Runde uebers Land (fuer mich war die Fahrt ansich ja schon der beste Teil – kuehler Fahrtwind! ) und landeten vor einem riesigen Berg, an dem ein langer Treppenaufgang hinauffuehrte. Oben angekommen sollte man mit einem tollen Ausblick ueber das Tal und einem kleinen Tempel belohnt werden. Die Sonne hing zwar schon tief, aber immer noch waren es ueber 35 Grad im Schatten und meine Motivation endete auf gut zwei Drittel des Weges. Daniel ist bei solchen Dingen um Einiges stolzer als ich und nicht so schnell klein zu kriegen. Waehrend ich den schoenen Ausblick aus dieser Hoehe genoss und mich mit ein para Ziegen, die dort meckernd ueber die Huegel kletterten, anfreundete, stieg er bis ganz nach oben und schoss wirklich tolle Fotos, damit ich nicht ganz auf den Ausblick verzichten musste. Als er von oben meinen Namen rief, hoerte nicht nur ich ihn und unten im Tal hoerten alle Reisbauern mit dem Pfluecken auf und winkten nach oben.
Von dort fuhren wir muede und erschoepft zurueck ins Hotel, wo wir nach einem Essen und einer kalten Dusche erneut um annehmbare Plaetze im Bus kaempften. Auf nach Hoi An, der Schneiderstadt Vietnams!

Hannah